16.10.06

Ist der Zölibat heute noch lebbar?

1. Einführung

"Ist der Zölibat heute noch lebbar? Kann er dem modernen Menschen überhaupt zugemutet werden?" Diese Fragen werden in kirchlichen Kreisen immer wieder gestellt, und es ist nur verständlich, dass Eltern und Erzieher sich Sorgen machen und die Jugendlichen mit Argwohn oder Skepsis reagieren...

Zunächst einmal lässt sich ganz einfach antworten: Der Zölibat wird gelebt, das ist sein stärkstes Argument. Entgegen allen Wogen von Sensualität und Egoismus, mit denen uns die Massenmedien zu überschwemmen drohen, entgegen allen suggestiven Warnungen Freudscher Prägung und allen statistischen Skandalveröffentlichungen über das Sexualverhalten innerhalb und außerhalb der Kirche gibt es tatsächlich auch heute noch Menschen, die in der christlichen Ehelosigkeit ihr Glück gefunden haben. Sie leben innerlich frei und unabhängig nach diesem Ideal des Evangeliums, in starker, tapferer und revoltierender Liebe, hundert- und tausendfach überall auf der Welt.

Tatsächlich ist der Zölibat auch heute noch lebbar. Je beharrlicher er tabuisiert, je stärker er verhöhnt oder auch entstellt wird, desto dringender ist es auch, ihm im christlichen Wertbewußtsein wieder den gebührenden Platz einzuräumen. Im folgenden möchte ich dies versuchen. Ich möchte mich bemühen, den tiefen Sinn der freiwilligen Ehelosigkeit, für Männer wie für Frauen, wenigstens ansatzweise zu erschliessen.

2. Wert der Ehe

Dabei kann es nicht darum gehen, den Zölibat gegen die Ehe auszuspielen. Für die meisten Menschen ist die Ehe eine angemessene und (trotz aller Schwierigkeiten) auch beglückende Lebensform. Hier erleben sie die Liebe, hier verwirklichen sie ihre Bereitschaft, für andere dazusein. Ihre persönliche Hingabe an einen Partner erreicht in der geschlechtlichen Vereinigung eine höchst innerliche und tiefe Form. Diese Vereinigung umfaßt, von ihrem Wesen her, sowohl die leibliche als auch die seelisch-geistige Dimension ihres Menschseins. Das Wesentliche der Ehe ist ein gegenseitiges und restloses Sich-Schenken, eine personale und integrierende Liebe, das Miteinander-Leben und Erleben, die gemeinsame Existenz, Aufgabe und Verantwortung. Mit dem ehelichen Versprechen haben sich Mann und Frau füreinander entschieden. Wenn sie es als Christen und vor Gott gegeben haben, dann haben sie sich mit dem Partner und gewissermaßen durch ihn hindurch zugleich auch mit Christus verbunden. Das Treueversprechen gilt auch Christus. Man schenkt sich nicht nur gegenseitig, man schenkt sich auch Christus in dem anderen. Die Ehegatten leben folglich nicht nur füreinander. Im Grunde leben sie gemeinsam für Christus. In ihrer Liebe wird Christus mitgeliebt. Wenn sie einander näher kommen, werden sie zugleich inniger mit Christus vereinigt. Denn ihre Gemeinschaft stellt als Sakrament eine der sieben geheimnisvollen Quellen der Teilnahme am göttlichen Leben dar.

So ist auch die Ehe ein Weg zu Gott. Deshalb konnte der Zölibat in der echten Überlieferung der Kirche niemals eine Herabsetzung der ehelichen Gemeinschaft bedeuten, auch kein Hinübergleiten in die Anschauungen des Manichäismus bezüglich des Körpers, des Geschlechtes und der Fortpflanzung. Der unsinnliche Mensch ist nie ein christliches Ideal gewesen! Wer nicht zu Gefühlen, zu Leidenschaft und Sehnsucht fähig ist, der leidet an einem Mangel, da ihm eine sehr tiefliegende Sphäre der menschlichen Natur verschlossen bleibt. Der Zölibat hat damit nichts zu tun. Er besagt schlicht, daß man freiwillig etwas "aufgibt", das nach dem Willen des Schöpfers zur Ehe führt, und zwar das Bedürfnis, sich einem anderen Menschen ganz zu schenken, das tiefer ist als die sexuelle Tendenz. Statt "Aufgeben" Könnten wir vielleicht besser von Opfer sprechen. Ein Mensch, der den Zölibat wählt, bringt Gott ein ganz konkretes, sehr persönliches Opfer dar, wenn er auf die Ehe verzichtet. Er verachtet diese Lebensform nicht, im Gegenteil: In allen Religionen aller Völker ist es stets üblich gewesen, das Kostbarste zu opfern, nicht das Schlechte und Mißratene; das wäre ja eine Beleidigung der Gottheit!

Wie der Mensch fähig ist, die Ehe zu wählen, so sind manche auch fähig, auf die Ehe zu verzichten. Auf diese Weise stellt die bewußt gelebte Ehelosigkeit nicht nur einen Zustand, sondern auch einen selbständigen Wert dar. Sie bildet eine "andere" Möglichkeit, einen "anderen" Weg, auf dem Mann und Frau Erfüllung finden können.

3. Liebe zu Christus

Nun sollte der Zölibat aber nicht nur negativ definiert werden. Sähen wir ihn lediglich als Verzicht und Entbehrung, dann hätten wir ähnliche Wahrnehmungen wie jemand, der an einem Garten nur den Zaun bemerkt und beim Tennisspielen nur an Muskelkater denkt. Dann hätten wir so gut wie nichts von der Schönheit und Größe der christlichen Ehelosigkeit erfaßt! Wer den Zölibat wählt, der entscheidet sich nicht für ein herz- und gemütloses Dasein; er fühlt sich auch nicht in die Wüste verbannt. Im Gegenteil, er wählt eine besondere Liebesgemeinschaft: ein Leben mit Christus und seiner Kirche. Er bezeugt, daß der Mensch seine volle Liebeskraft auf Gott richten kann. Selbstverständlich verzichtet er auf eine bestimmte Form der Verwirklichung seiner menschlichen Liebe, aber er verzichtet um einer größeren Liebe willen. Hängt der Wert einer Liebe oder Begeisterung doch vor allem davon ab, wen wir lieben und für wen wir uns begeistern! Und in diesem Fall ist Gott selbst das unmittelbare Ziel allen Strebens. Augustinus schreibt in einer Ermahnung an gottgeweihte Frauen: "Wenn ihr also eine große Liebe eurem Gatten schuldetet, wie sehr müßt ihr nicht den lieben, um dessentwillen ihr keinen Gatten wolltet?...Es ist euch nicht erlaubt, denjenigen wenig zu lieben, um dessentwillen ihr nicht liebtet, was erlaubt gewesen wäre."[1] Der Theologe Josef Arquer führt weiter aus: "Um zu sein, was sie sein soll, muß...(die christliche Ehelosigkeit) gelebte Zweisamkeit mit Gott sein, bewußte...Hinwendung zu Gott. Nach außen ein Verzicht, ist sie in ihrem Inneren immerwährendes Gebet."[2]

Bekanntlich gründet auch die Ehe im Geheimnis der Verbindung Christi mit seiner Kirche. Doch sie selbst ist nicht diese Verbindung; sie stellt diese nur zeichenhaft dar und macht Gottes Liebe anderen erfahrbar. Durch die Entscheidung zum Zölibat hingegen sind Frau und Mann gewissermaßen hineingenommen in das Geheimnis dieses Brautverhältnisses. Das durch die Ehe bereits angedeutete (und auch vermittelte) "mysterium caritatis" greift in ihr Leben direkt ein und läßt es auf einer höheren als der natürlichen Ebene Erfüllung finden. Mann und Frau leben nun auch in einer ganzheitlichen Liebeshingabe an ein Du, in einer direkten Ich-Du-Beziehung, aber nicht zueinander, sondern jeweils als einzelne Personen zum lebendigen und gegenwärtigen Christus, in letzter Unmittelbarkeit zu Gott allein. Johannes Paul II. hebt klar hervor: "Das alles läßt sich nicht mit dem einfachen Ledigsein oder Unverheiratetsein vergleichen; denn die...(christliche Ehelosigkeit) beschränkt sich nicht auf das bloße Nein, sondern enthält ein tiefes Ja im bräutlichen Sinne: die vollkommene und ungeteilte Hingabe aus Liebe."[3] Wer im Zölibat lebt, der hat entdeckt, daß er von Gott um seiner selbst willen geliebt wird, und er antwortet darauf mit seinem ganzen Leben, mit allen Energien der Seele und des Körpers: "Die menschliche Person, die von Gott so sehr geliebt wird, schenkt sich ihm, ihm allein."[4] Ihre Christusnachfolge ist radikal. Manche weisen darauf hin, daß der christliche Zölibat mit der bloß tatsächlichen, vielleicht sogar ungewollten und (in manchen Fällen) als schweres Los ertragenen Ehelosigkeit so wenig zu tun hat wie die freiwillige Armut mit der tatsächlichen, ungewollten und schmerzhaften Armut.
Heute ist es modern, diese Gedanken als idealistische Verstiegenheit zu bezeichnen. Doch davon sollten wir uns nicht lähmen lassen. Vielleicht könnte es helfen, uns an den großen missionarischen Aufbruch der ersten christlichen Jahrhunderte zu erinnern. Damals war es ganz selbstverständlich, daß viele Menschen den Zölibat erwählten. Er galt in der jungen Kirche als leuchtendes Glaubenszeugnis, vergleichbar etwa dem Martyrium. Man sah in ihm eine Manifestation der Liebe zu Christus, einen Ausdruck für die Vitalität des Gottesvolkes.

4. "Um des Himmelreiches willen"

Gewöhnlich wird der Zölibat als "Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen" bezeichnet. Das bedeutet etwa: Wer sich aus Liebe zu Christus zu ihm entscheidet, weist deutlich auf das "Himmelreich" hin. Er nimmt gleichsam in seiner physischen Existenz das vorweg, was allen Menschen bei der künftigen Auferstehung geschenkt werden wird. Auf diese Weise wird er "zum prophetischen Zeugen in der Zeit für jene zukünftige Welt, in der die Gerechtigkeit wohnt."[5]

Ein Christ lebt mit Blick nach vorn. Er lebt in eine unüberbietbare Zukunft hinein, die Himmel heißt. Der Himmel ist die Fülle des Guten, die das Menschenherz über die Grenzen all dessen hinaus ersehnt, woran es im irdischen Leben teilhaben kann; es ist die höchste Fülle der Belohnung des Menschen durch Gott. "Deshalb", so führt Ladislaus Boros aus, "gehören Geschmack am Glück, die Zuversicht, die Freude am Großen nicht auch zum Christentum; sie bestimmen die ganze christliche Wirklichkeit als Aussicht und Ausrichtung nach vorn..., als die Morgenröte eines erwarteten Tages."[6] Der Christ hat einfach keinen Grund, niedergeschlagen, traurig oder mutlos zu sein, sich mit dem gegenwärtigen Zustand zu begnügen und dabei das Hoffen zu vergessen.

Doch wer den Zölibat wählt, weist nicht nur auf eine zukünftige Welt hin. Er bezeugt vielmehr, daß die Zukunft bereits hier und heute begonnen hat. Hoffen im christlichen Sinn bedeutet nicht, daß man sich zu etwas hinwendet, das eintreffen könnte; es beinhaltet vielmehr, daß man das Ersehnte in gewisser Weise schon besitzt, wenn auch noch unvollkommen und sehr provisorisch. Nach einem bekannten theologischen Grundsatz ist die göttliche Gnade, aus der heraus der Hoffende lebt, "der Beginn der Herrlichkeit". Das heißt, für den christlich Hoffenden ist das ewige Leben schon jetzt auf geheimnisvolle Weise gegenwärtig. Gott hat uns ein Glück verheißen, das schon in dieser Welt beginnt! Seine Liebe darf von uns nicht nur erwünscht und erwartet, sie kann auch jetzt schon erfahren werden. Die sogenannten "letzten" Dinge sind in Wirklichkeit die ersten, zumindest werfen sie ihr Licht voraus. Es liegt an uns, sie immer mehr zur Entfaltung zu bringen, bis die Liebesgemeinschaft mit Christus vollständig entfaltet ist. Erst dann wird die urmenschliche Sehnsucht nach Glück restlos erfüllt.

Die Ehelosigkeit "um des Himmelreiches willen" vermag uns einen Vorgeschmack der ewigen Freude zu geben. Sie umgreift die tiefsten persönlichen und existentiellen Dimensionen des Menschseins und läßt uns etwas spüren von dem Leben in Fülle, das Christus uns schenken möchte. Zweifellos ist sie ein Weg, der wie die Ehe zur affektiven Reife und zur vollen Integration der Persönlichkeit führen kann. Doch es stellt sich die Frage, wer denn auf die eheliche Liebe zu verzichten vermag. Wer darf annehmen, er brauche die Hilfe eines Partners nicht? Sicher nur der, den Christus persönlich ruft und einlädt. Freiwillige Ehelosigkeit ist eine christliche Berufung. Sie kann nicht selbst verdient, "erarbeitet" werden. Nur Gott kann sie schenken, in freier, großzügiger, verschwenderischer Liebe. Aber jede christliche Frau und jeder christliche Mann sollten die Bereitschaft haben, dieses Geschenk anzunehmen. Und wenn ein Mensch tatsächlich einen besonderen Ruf Gottes vernimmt, sollte er die Kühnheit besitzen, seinen festumrissenen natürlichen Standort aufzugeben, um sich den Plänen der göttlichen Vorsehung ganz zu überlassen: "Im Stehenbleiben, wenn sein Ruf ertönt, inmitten aller dringendsten Verpflichtungen und Bindungen, im Fallenlassen von allem, was man gleichsam in der Hand hält, um den Blick für immer auf ihn zu richten..., liegt ein spezifischer Niederschlag der grenzenlosen, anbetenden Liebe."[7]

Wenn ein Mensch von der Liebe Gottes getroffen wird, wenn er die Gnade zur christlichen Ehelosigkeit aufnimmt und in sich wirken läßt, dann wird er immer deutlicher erfahren, daß der Zölibat mehr Geschenk als Verzicht, mehr Reichtum als Bedürfigkeit ist. Er wird begreifen, daß er sich bei Gott vollständig verstanden und geborgen fühlen kann, daß er Gott alles sagen kann, was ihn bewegt - ja, daß ein Leben mit Christus das größte Glück ist, das man sich wünschen kann. "Die Frage gelungener Ehelosigkeit ist für mich eine Frage nach meiner wahren Heimat," sagt der Benediktinerpater Anselm Grün. "Wo fühle ich mich daheim? Dort, wo ich mich gut eingerichtet habe? Dort, wo liebe Menschen sind, mit denen ich mich unterhalten kann? Oder fühle ich mich wirklich bei Gott daheim? Ehelosigkeit wird gelingen, wenn ich mich bei Gott daheim fühle."

5. Schwierigkeiten

Wie jede radikale und endgültige Entscheidung, die den ganzen Menschen engagiert, ist natürlich auch der Zölibat "ein schweres und schwieriges Band der Liebe".[8] Die Anforderungen, die er an die Neigungen der menschlichen Natur stellt, dürfen weder in unwissender Naivität verharmlost noch in geistiger Kleinlichkeit verborgen werden. Ganz im Gegenteil ist es für ein "geglücktes" Leben in der Hingabe an Gott unbedingt erforderlich, sie tief menschlich und realistisch zu erfassen.

Wenn man aus Liebe zu Gott auf die einzigartige Liebesgemeinschaft der Ehe verzichtet, dann trennt man sich unbestreitbar von einer tiefen Quelle des Glücks und auch von einer großen natürlichen Hilfe auf dem Weg zur Gottvereinigung: Echte Liebe zu einem Menschen ist (auf der natürlichen Ebene) wohl das wirksamste Mittel, um Hochmut, Egoismus und ungeordnete Leidenschaften zu überwinden. Sie macht das Herz weich und verständnisvoll, hilft großzügig und lernbereit zu sein. Wenn man auf diese menschliche Liebe verzichtet, kann man sich auf sich selbst zurückgeworfen fühlen, und es entsteht notgedrungen eine Leere im Herzen. Mit dieser Leere muß man sich ernsthaft konfrontieren. Sie kann letztlich nur dann ausgefüllt werden, wenn man den Zölibat als "Chance für ein besonders verliebtes Leben"[9] begreift. Wenn Christus das Herz erfüllt, ist die Einsamkeit radikal besiegt! Sollte das aber nicht der Fall sein, dann kann der Mensch sehr leicht spröde und kauzig werden, an Herz und Gemüt verkümmern. Es könnte auch geschehen, daß er in Kleinlichkeit versinkt und die Leere durch niedrige Ambitionen auszufüllen sucht - etwa durch den Eifer, über andere zu herrschen oder auch durch ein Streben nach Erfolg, Geld und Applaus. Das gibt oft Anlaß zur Kritik seitens Außenstehender. Man muß zugeben, daß der Zölibat tatsächlich unverständlich wird, sobald Christus darin nicht mehr das Eigentliche, die Norm und die Wirklichkeit ist.

Aber auch dann, wenn der Verzicht auf die Ehe in einem Akt freudiger Selbstentsagung geleistet worden ist, so heißt das nicht, daß seine Folgen im Laufe des Lebens nicht doch belastend sein könnten. Die Routine kann das Herz abstumpfen oder erstarren lassen, die alltägliche Arbeit kann ermüden. Es besteht die Gefahr, in das zurückzufallen, was man aus Liebe zu Gott verlassen hat - oder eben innerlich zu verknöchern und zu verbittern. Gerade in der Lebensmitte - die man treffend auch die Entscheidungssituation der "zweiten Bekehrung" genannt hat - kann der Mensch von Trägheit und Überdruß erfaßt werden. So mancher ist vom Leben ernüchtert, vielleicht auch gelangweilt; er spürt seine Schwachheit und will oder kann sich das Große nicht mehr zumuten. Die Enttäuschung macht sich breit; sie findet bisweilen ihren Ausdruck in Kritiksucht, in kleinlichem Nörgeln und Groll, in Neugier, Gerede, Hektik und Aktivismus oder auch in stumpfer Gleichgültigkeit. So kann es geschehen, daß der Zölibat die psychische Reifung verlangsamt, ja manchmal sogar blockiert. Er wird sie aber bei einem normalen Menschen, der immer wieder neu versucht, aus seinem Glauben zu leben, letztlich nicht verhindern können.

Gewiß gibt es tragische Situationen! Wir müssen uns aber klarmachen, daß der Zölibat an sich für eine mögliche Verhärtung des Herzens genauso wenig verantwortlich ist, wie die Ehe eine Garantie gegen solche Verhärtung wäre. Gibt es nicht viele verheiratete Personen - Frauen wie Männer -, die vom Egoismus beherrscht sind, deren Herz erkaltet ist, die allgemein einen recht freudlosen, verdrießlichen und bornierten Eindruck machen? Auch die menschliche Liebe und das sexuelle Leben können frustrierend sein, und nicht nur deshalb, weil sie doch immer auch Grenzen und Relativität einer Bindung erfahren lassen, die sich nach dem Unendlichen sehnt, nach Ewigkeit und nach dem Absoluten, was in diesem Leben letztlich gar nicht zu erreichen ist. Früher oder später spürt jeder Mensch mit einem gewissen Tiefgang, daß sein Wunsch nach Vereinigung in dieser Welt nie völlig gestillt werden kann. Das heißt aber nicht, daß er in der Ehe nicht glücklich - und immer glücklicher - werden könnte.

6. Notwendigkeit echten Bemühens

Es ist wohl eine Binsenwahrheit: Überall da, wo es sich um hohe Güter handelt, müssen wir uns bemühen nicht abzustumpfen, nicht immer wieder in die Trägheit zurückzusinken und das Gefühlsleben zu ordnen. Dieses Bemühen ist in jeder Ehe notwendig, und es spielt für jemanden, der sich für den Zölibat entschieden hat, natürlich ebenfalls eine eminente Rolle.

Wir sind nun einmal ebenso sehr Leib wie Seele, und alle unsere geistlichen Tätigkeiten sind zuinnerst an unser Empfindungsleben gebunden. Außerdem ist unsere Natur durch die Schuld geschwächt. Es wäre vergeblich, sich gegen diese Wirklichkeiten zu sträuben und die menschlichen Regungen einfach zu verleugnen. Man würde dann in einem unmenschlichen Stoizismus erstarren. Ebenso falsch wäre es aber auch, allen Regungen einfach nachzugeben und dabei die eigene Lebenssituation zu verdrängen. Wir sind aufgefordert, unsere Gefühle in den jeweiligen Situationen zu erkennen, klar zu benennen und auf unser Lebensziel hin zu ordnen.

Wir dürfen uns nicht vor dem scheuen, was in der christlichen Tradition gewöhnlich als Askese verstanden worden ist. Das Wortklingt vielen heute fremd und unangenehm. Vielleicht ist die Wirklichkeit, auf die es hindeutet, in früheren Zeiten tatsächlich sehr übertrieben worden. Vielleicht ist aber auch die Tatsache, daß die Notwendigkeit der Askese heute in weiten Kreisen abgelehnt wird, nicht selten für ein Scheitern des zölibatären Lebens mit verantwortlich zu machen. Es kann nicht darum gehen, auf jede Art von Askese zu verzichten; diese muß nur sinnvoll begründet und eingesetzt werden. Die bekannte Ordensfrau Isa Vermehren hebt klärend hevor, daß die sog. Selbstzucht "in Liebe und aus Liebe zum Herrn" geschehen muß, "in angstfreier, vertrauensvoller Liebe auch, dann führt sie in große Herzensfreiheit und -weite."[10] Die Askese steht im Dienst der Gottesbegegnung. Nicht die eigene Perfektion, sondern die größere Gottesliebe ist ihr Ziel. Es kommt in erster Linie nicht darauf an, bloß nichts falsch zu machen und niemals hinzufallen. Wir sind aber eingeladen, immer wieder aufzustehen. Gott ist es wohl angenehmer, wenn wir ihm unser zerbrochenes Herz hinhalten, als wenn wir unsere asketischen Leistungen und unser “moralisches Unbeflecktseins” vorzuweisen trachten.

Auf jedem Lebensweg kann es Zweifel über einmal getroffene Entscheidungen, Dunkelheit und Enttäuschung geben. Innere Stabilität und geistige Reife gewinnt man normalerweise erst mit der Zeit, in einer nicht linearen Entwicklung, durch mehr oder weniger große Krisen hindurch. Doch eine Krise ist keine Katastrophe. Wir sollten im Gegenteil die Chance entdecken, die in ihr verborgen ist. Durch Belastungen wird die Liebe reifer und tiefer; in jedem Sturm kann sie erneuert werden. Der Wunsch, sich einem anderen ganz zu schenken, kann im Verlauf der persönlichen Lebensgeschichte immer mehr gereinigt und vermehrt werden. Dazu ist allerdings erforderlich, daß man gut versteht, was man in diesem "Sturm" erlebt, daß man nicht flieht, sich nicht ablenken läßt und sich vor allem nicht mit möglichen "Partnerwechseln" selbst betrügt: Denn das, was man ändern sollte, ist oft doch nur das eigene Ich.
In einer Krise wird man praktisch aufgefordert, an den Anfang der Liebesbindung zurückzukehren und diesen noch einmal zu wiederholen. Man wird aufgefordert, aus ganzem Herzen noch einmal das Ja zu sprechen. Der Philosoph Dietrich von Hildebrand sagt erläuternd dazu: "Nun darf aber dieses Zum-Ursprung-Zurückkehren, zu dem Moment, in dem Gott unsere Seele in der Tiefe berührte, das zum Wesen aller Erneuerung gehört, nicht mit einem Zurückkehren in allen Einzelheiten zu dem Ursprung verwechselt werden. Es ist ein Zurückkehren zu der ursprünglichen Wachheit, Glut, dem ursprünglichen Eifer - aber nicht notwendig zu der ursprünglichen Struktur."[11] Das heißt, das Wissen und die Erfahrung, die ich auf meinem Lebensweg gesammelt habe, müssen nicht geleugnet werden. Wenn ich das anfängliche Ja wiederhole, so geschieht es bewußter und auch freier als beim ersten Mal, mit der Begeisterung der Jugend und der Reife der Jahre. Mit der Zeit liebe ich immer mehr, weil ich lieben will und bereit bin, auch Opfer zu bringen.
Die Reifungsmöglichkeiten eines Menschen - ob Mann oder Frau, ehelos oder verheiratet - sind so groß wie die Liebe, von der er lebt. Sorgt man sich nur um sich selbst und seine Geltung, wird man innerlich arm, eng und öde, abstoßend für die Mitwelt. Das entscheidende Hindernis für eine harmonische Persönlichkeit und ein geglücktes Gemeinschaftsleben ist die Egozentrik, eine verklemmte, vielleicht sogar neurotische Beziehung des Ich zur Welt und zu den anderen. Wenn jemand den Zölibat erwählt hat, muß er auf einer immer tieferen Ebene lernen, sich loszulassen. Er muß ganz und immer wieder neu auf den blicken, für den er sich entschieden hat. Mit anderen Worten, er muß bereit sein, sich von allen weniger hohen Gütern mehr und mehr zu trennen - so etwa von dem Bedürfnis nach einem ruhigen und geordneten Leben. Er muß sich natürlich erst recht von allen Fehlern und Unvollkommenheiten zu lösen versuchen, zum Beispiel von kleinlichem Konkurrenzkampf, von Neid und Schadenfreude, übertriebener Empfindlichkeit und Karrieredenken, damit sein Herz immer reiner und freier für die Liebe Gottes werden kann.

Nicht immer ist es notwendig, daß Wille und Gefühlsleben harmonisch miteinander vereint sind. Dieser Zustand ist zwar erstrebenswert und wird im Himmel endgültig verwirklicht sein. Man kann wohl auch ohne Übertreibung sagen, daß er bei vielen, die sich ernsthaft für die Liebe zu Gott entschieden haben, auch hier und heute schon vorhanden ist: Sie lieben Gott nicht nur aufgrund eines edlen Entschlusses; sie lieben ihn mit den Kräften ihres Herzens. Sie sind glücklich, ihn lieben zu dürfen! Doch gerade diese Liebe kann auch manchmal dazu führen, gegen gewisse tiefe Regungen des eigenen Herzens anzugehen. Dies war etwa bei Abraham der Fall, als er sich bereit erklärte, seinen Sohn zu opfern. Hildebrand stellt jene Situation sehr einfühlsam dar: "Abraham mußte mit seinem Willen Ja sagen, als er das Gebot Gottes vernahm...Aber sein Herz mußte bluten und mit dem größten Schmerz antworten. Sein Gehorsam wäre nicht vollkommen gewesen, wenn sein Herz freudig zugestimmt hätte. Im Gegenteil, dies wäre ein ungeheuerliches Verhalten gewesen. Nach Gottes Willen erforderte das Opfer...den tiefsten Schmerz als Antwort des Herzens."[12] Ähnliches erfuhr auch Christus im Ölgarten, wobei allerdings der unendliche Abstand zwischen Abraham und dem Sohn Gottes zu berücksichtigen ist.

Was heißt das für uns? Ob in der Ehe oder im Zölibat - auch wir müssen manchmal Opfer bringen um einer größeren Liebe willen. Wir müssen Opfer bringen, um dem treu zu sein, an den wir uns freiwillig gebunden haben. Ich denke, daß ein Vertiefen in die Passion Christi uns oft helfen kann, wenn es im affektiven Bereich zu Versuchungen und Schwierigkeiten kommt. Wenn alle Fügungen Gottes uns nur erfreuen würden, wenn wir nie an einem Widerspruch zwischen den Regungen unseres Herzens und dem Entschluß unseres Willens zu leiden hätten, dann müßten wir uns vielleicht fragen, wie lebendig unser Glaubensleben ist. Vielleicht folgen wir Christus so sehr aus der Ferne, daß wir sein Kreuz gar nicht spüren können!

Sollten wir andererseits in der Nachfolge Christi Schmerz erfahren und uns darüber wundern und beklagen, dann könnte auch dies ein Zeichen dafür sein, daß wir dem Herrn noch nicht nahe genug sind. "Ein gewisser Tonfall der Klage...steht...im Widerspruch zum Wesen der Liebe," hebt Arquer hervor. "Der Liebende nimmt Opfer gern auf sich und rechnet dem Geliebten nicht ständig vor, was er ihm alles schenkt! In einer zentralen Schicht seines Wesens spricht der Ehelose ein glückliches Ja zu diesem Leid, begrüßt es als Kreuz, das ihn ja mit Christus verbindet."[13]

Natürlich handelt es sich beim Zölibat um eine Hingabe, die die Torheit des Kreuzes an sich trägt. Dabei ist aber hervorzuheben, daß man nicht das Kreuz an sich liebt, sondern den Gekreuzigten. Man möchte Christus nahe sein; man will es nicht besser haben als er! "Die Liebe drängt nach einem Ausdruck, nach einer Objektivierung der Hingabe...Sie freut sich am Opfer für den Geliebten; sie sehnt sich, ihm zu zeigen, daß sie ihn vor allem und über alles liebt. Die irdische Braut verläßt das Haus der Eltern und löst die Lebensgemeinschaft mit denen, die sie in Liebe bisher umgaben und zu denen sie gehörte, um dem Mann nachzufolgen, den sie in Liebe erwählte."[14] Wieviel mehr Grund hat derjenige, der sich für Christus entscheidet, radikal ernst zu machen mit der Hingabe!

7. Hilfe der göttlichen und menschlichen Liebe

Im Zölibat - wie in der Ehe - kann es selbstverständlich Schwierigkeiten und Konflikte geben. Unbestreitbar ist eine gewisse Bereitschaft zur Selbstüberwindung notwendig, wenn man ein ganzes Leben lang treu sein will. Ich habe ausführlich darüber gesprochen, weil es heute kaum erwähnt wird. Doch ich denke nicht, daß die Askese das Wichtigste seien. "Wenn du ein Herz hast, kannst du gerettet werden," sagt ein geistlicher Autor. "Darauf kommt es in unserem geistlichen Leben an, daß wir ein Herz haben, das lieben kann, das sich verwunden läßt, das voller Sehnsucht und Güte, voller Zärtlichkeit und Hingabe ist.” (Anselm Grün) Um auf diese Weise das Herz zu formen, reichen unsere eigenen Kräfte bei weitem nicht aus. Eine weitaus entschiedenere Hilfe dürfen wir von Gott selbst und auch von den anderen Menschen erwarten. Darauf möchte ich nun kurz eingehen.

Heute pflegt man lang und genüßlich all die psychologischen Faktoren hervorzuheben, welche das Durchhalten des Zölibates fast unmöglich erscheinen lassen. Doch man übersieht dabei eine bedeutende Tatsache. Man berücksichtigt nicht die besondere Kraft, die Gnade, die Gott denen schenkt, die sich ihm anvertrauen - und so verfälscht man die objektive Sachlage. Vor allem ist es die unendliche Liebe Christi selbst, welche die Stumpfheit unseres Herzens vertreibt und Gemütsschwankungen zur Ruhe bringt. Die Gnade vermag die tiefsten Schichten unseres Herzens aufzubrechen, zu heilen, zu erwärmen, gleichsam "aufzuschmelzen". Sie versetzt uns Menschen mitten in den Aktionsradius Gottes, in seine Liebe hinein. "Er, der die Seele ruft, wird sie füllen mit sich selbst, wenn sie seinem Ruf folgt."[15] Von uns Menschen wird lediglich ein Minimum an Bereitschaft verlangt, sich dieser Liebe immer wieder neu zu öffnen. "Wenn ihr heute seine Stimme hört, verhärtet nicht euer Herz!" (Ps 94,7-8)

Auf einer anderen Ebene allerdings sehnt sich das menschliche Herz auch danach, menschliche Liebe zu geben und zu empfangen. Vielleicht ist die Tatsache, daß man dies in gewissen geistlichen Strömungen immer wieder zu leugnen versucht hat, ein Grund dafür, daß so mancher Eheloser unnatürlich und verkrampft wirkt und seine religiösen Verpflichtungen schließlich als Last empfindet. Ein gesundes geistliches Leben wird normalerweise wohl nur möglich sein, wenn man in guten menschlichen Beziehungen lebt. Wir sollten keine Scheu vor menschlicher Liebe haben. Wenn das affektive Leben in Christus gegründet und von seiner Kraft durchdrungen ist (und wenn wir bereit sind, uns zu bemühen), dann kann die menschliche Liebe auch für den Ehelosen eine große Hilfe zur tieferen Gottvereinigung sein. Sie ist schließlich nicht auf die eheliche Liebe begrenzt! Die Liebe hat viele Gestalten. Für denjenigen, der zur christlichen Ehelosigkeit berufen ist, gewinnt die Freundschaft eine ganz besondere Bedeutung. Das heißt, neben der Liebe zu Gott kann vor allem die freundschaftliche Liebe zu Gleichgesinnten ganz entscheidend dazu beitragen, daß man mit Freude auf dem einmal eingeschlagenen Weg bleibt und zügig vorangeht.

Den Wert der Freundschaft haben in der christlichen Tradition viele besungen. Augustinus sagt sogar: "Ohne einen Freund kommt nichts in der Welt uns freundlich vor." Dieser große Kirchenvater fühlte sich durch seine Freunde immer wieder bestätigt, ermuntert und angetrieben zu großen Werken. Er hat gerade nach seiner Konversion von solchen Freundschaften gelebt. Wenn jemand Menschen an der Seite hat, die er liebt und denen er vertraut, dann kommt ihm alles leichter vor. Wenn diese Menschen sogar durch Dick und Dünn denselben Weg zu gehen sich bemühen (oder ihn zumindest gut verstehen), dann kann es sogar geschehen, daß die Schwierigkeiten eher animierend als blockierend wirken.

Die Freundschaft ist ein hohes Gut, das gerade zu einem echten christlichen Leben dazugehört. Christus sagt an einer zentralen Stelle des Evangeliums zu seinen Jüngern: "Freunde habe ich euch genannt." (Joh 15,15) Wir dürfen und sollen Freundschaft schließen, mit Gott und mit den Menschen. Dabei ist wohl jedem klar, daß es im Hinblick auf die Freundschaften zwischen Frauen und Männern notwendig ist, sehr aufrichtig zu sein, vor Gott und vor sich selbst.

Doch die Nähe zu Christus bedeutet keineswegs die Ächtung der menschlichen Liebe, die das Herz verstummen ließe. Im Gegenteil, sagt Dietrich von Hildebrand, die Nähe zu Christus bewirkt, "daß das Herz unvergleichlich sensibler, glühender wird und nun von einer vorher unerhörten Affektivität beseelt ist. Gleichzeitig wird es von allen illegitimen Gefühlen...gereinigt."[16] Wer Gott liebt, wirklich liebt, der braucht keine Angst zu haben, daß er sich zu sehr an die Geschöpfe klammert. C.S. Lewis, der bekannte anglikanische Philosoph, hebt ausdrücklich hervor, daß nicht nur die Gefahr besteht, den Menschen abgöttisch zu lieben; ebenso groß ist die Gefahr, ihn zu wenig zu lieben. Er denkt hier an diejenigen, die aus religiösen (oder pseudo-religiösen) Motiven sparsam mit ihren Gefühlen sind, um jede Art von Verstrickungen zu vermeiden. "Ich bin überzeugt," sagt er, "daß die...maßloseste Liebe dem Willen Gottes weniger entgegensteht als die gewollte, selbstschützerische

Lieblosigkeit...Wahrscheinlich ist es unmöglich, einen Menschen zu sehr zu lieben. Wir lieben ihn vielleicht zu sehr im Verhältnis zu unserer Liebe zu Gott; aber nicht die Größe unserer Liebe zu dem Menschen ist falsch, sondern die Kleinheit unserer Liebe zu Gott."[17] Christliche Ehelosigkeit darf nicht in die Isolation führen. Wenn wir sie mit der Gnade Gottes richtig begreifen, wird sie uns dahin führen, Gott und die Menschen leidenschaftlich zu lieben - und uns von ihnen lieben zu lassen.

8. Schluß

Zusammenfassend möchte ich noch einmal hervorheben: Der Zölibat ist ein Weg zu dem Leben in Fülle, das Christus uns verheißt. Er verlangt - wie die Ehe - viel Vitalität, wenn er gelingen soll. Denn er erfordert, daß die ursprüngliche Motivierung der Hingabe ein ganzes Leben hindurch lebendig erhalten wird. Dies ist letztlich nur in einem echten Gebetsleben möglich: Nur im Gespräch mit Gott selbst kann der Sinn der Ehelosigkeit immer tiefer erfaßt, nur im Umgang mit Christus kann die Leere des Herzens gefüllt, nur im bewußten Erleben des Kreuzes kann die verwundete Natur geheilt werden.

In dem Maß aber, in dem ein Mensch sich in der Anbetung Gottes verschenkt, wendet er sich den anderen zu; er wird liebesfähiger. Die Ehelosigkeit "um des Himmelreiches willen" vermag - gerade weil sie in einer törichten Selbstverleugnung gründet, weil sie eine großzügige Hingabe ist - sogar überdurchschnittlich reife und freundschaftsfähige Persönlichkeiten hervorzubringen. Der Grad ihrer Wärme und Hingabe hängt davon ab, wie tief und lebendig ihre Gottesliebe ist. Die große innere Nähe zu Christus, die vollkommene Vertrautheit mit ihm, kann den Menschen sogar zu einem Meister der Liebe machen.

Noch ein Wort zum Schluß: Die höchste, innigste Verbindung mit Christus ist als solche natürlich an keine Lebensform geknüpft. Sie ist Merkmal der Heiligen, möglich für alle - für den Verheirateten ebenso wie für den Ehelosen. Wichtig ist, daß jeder seinen Weg entdeckt und treu befolgt, im festen Glauben, daß Gott ihn von Ewigkeit her ganz persönlich auf diesen Weg gerufen hat.

Jutta Burggraf

[1] Aurelius Augustinus, zitiert bei Josef Arquer: "Zölibatär leben bringt doch überhaupt nichts!" Die charismatische Ehelosigkeit und ihre Bedeutung für die Gesamtkirche, in: Kirche und Sex, hrsg. von Michael Müller, Aachen 1994, S.262.

[2] Ebd., S.263.

[3] Johannes Paul II.: Mulieris dignitatem, Nr.20.

[4] Karol Wojtyla: Liebe und Verantwortung, München 1979, S.218.

[5] Alvaro del Portillo: Der Zölibat des Priesters, Köln 1973, S.28.

[6] Ladislaus Boros: Im Menschen Gott begegnen, Mainz 1967, S.103 f.

[7] Dietrich von Hildebrand: Reinheit und Jungfräulichkeit, 4. Aufl., St. Ottilien 1981, S.180.

[8] Alvaro del Portillo: Der Zölibat des Priesters, a.a.O., S.40.

[9] Josef Arquer: "Zölibatär leben bringt doch überhaupt nichts!" a.a.O., S.251.

[10] Isa Vermehren: Vom Reichtum der Ehelosen, in: Der Zölibat des Priesters, hrsg. von Klaus M. Becker und Jürgen Eberle, St. Ottilien 1995, S.95.

[11] Dietrich von Hildebrand: Zölibat und Glaubenskrise, Regensburg 1970, S.40.

[12] Dietrich von Hildebrand: Über das Herz, Regensburg 1967, S.189.

[13] Josef Arquer: "Zölibatär leben bringt doch überhaupt nichts!" a.a.O., S.265.

[14] Dietrich von Hildebrand: Reinheit und Jungfräulichkeit, a.a.O., S.189.

[15] Dietrich von Hildebrand: Reinheit und Jungfräulichkeit, a.a.O., S.174.

[16] Dietrich von Hildebrand: Über das Herz, a.a.O., S.192.

[17] Clive Staples Lewis: Was man Liebe nennt, 3. Aufl. Basel-Gießen 1982, S.122.

4.10.06

Eheliche Liebe - Eine Herausforderung

1. Einführung

Kann die Ehe tatsächlich als eine Gemeinschaft der Liebe bezeichnet werden? Leben die Ehepaare zusammen, weil sie sich lieben? Ich muß gestehen, daß diese Fragen mich sehr nachdenklich machen. Kürzlich erzählten einige verheiratete Frauen und Männer, warum sie sich auch nach zehn, zwanzig oder vierzig Jahren nicht von ihrem Partner trennen möchten: "Ich fühle mich wohl in meiner Ehe," sagte beispielsweise ein Sportlehrer. "Denn ich kann machen, was ich will. Meine Frau ärgert sich nicht, wenn ich abends spät nach Hause komme. Sie fragt auch nicht, wo ich war. Natürlich lasse ich ihr dieselben Freiheiten. Sie versorgt das Haus und kümmert sich um die Kinder. Was könnte man mehr erwarten?" Die Frau eines Industriellen meinte: "Ich habe viel Glück gehabt mit meiner Ehe. Mein Mann verdient sehr gut. Endlich kann ich den Lebensstil wählen, der mir zusagt. Ich habe Zeit und Geld, all meine kulturellen Interessen zu pflegen." Und eine vielbeschäftigte Managerin berichtete: "Wir sind gut aufeinander eingespielt: Mein Mann kocht an fünf Tagen der Woche, ich am Wochenende. Dafür mache ich aber auch das Frühstück und die Betten." ... Sicher hat jeder von uns ähnliche Gespräche oft gehört. Und den meisten ist wohl auch klar, daß es sich hier lediglich um gut geölte Beziehungen zwischen zwei Menschen handelt, die sich um nichts weiter als Korrektheit bemühen - und die sich wahrscheinlich ihr ganzes Leben lang fremd bleiben!

Kann das wirklich alles sein? Genügen einige Kompromisse, ein paar Regeln der Höflichkeit - und das Eheleben klappt? Ist es überhaupt wünschenswert, die "große Liebe", von der die Welt träumt, in ein gemäßigtes und wohltemperiertes Harmonieren abzuschwächen? Christliche Vorstellungen von der Ehe gehen weit über solches Denken hinaus. Das Christentum spricht von der großen, es spricht von der äußersten Liebe zu einem Menschen. Vorbild der ehelichen Liebe, so haben wir alle wohl schon einmal gehört, ist die Liebe, die Christus uns offenbart hat. Diese Liebe ist so tief und unergründlich, daß Christus selbst den Tod am Kreuz nicht scheute, um sich die Kirche als Braut zu erwerben.

Diese Gedanken sind uns wohl auch im Zeitalter der Säkularisierung nicht völlig fremd; aber sie sind uns reichlich fern. Sie sind uns so fern, daß mancher sich wundern wird, warum ich sie überhaupt erwähne. Die Antwort ist ganz einfach: Ich bin überzeugt davon, daß es sich lohnt, sie zu betrachten. Deshalb habe ich mir vorgenommen, mich etwas mehr mit ihnen zu beschäftigen.

Offensichtlich herrschen in unserer Gesellschaft ganz andere Vorstellungen von dem, was man Liebe nennt. Man will genießen, besitzen und verwöhnt werden. Liebe und Ehe scheinen ohnehin recht unversöhnlich zu sein. In zahlreichen Filmen, Romanen und Erzählungen bis hin zu Glossen und Witzen der Trivialliteratur wird die Ehe als Falle, als Gefängnis, womöglich sogar als Irrenhaus oder als Hölle dargestellt. Und wir wissen zur Genüge, daß sie von nicht wenigen Zeitgenossen tatsächlich so empfunden wird. Darum kann man in gewissen Kreisen mit stürmischem Beifall rechnen, wenn man verächtlich von der Ehe spricht. Pessimismus ist ansteckend, Zynismus noch mehr! Doch noch schädlicher als übertrieben hohe Erwartungen, denke ich, können solche Erwartungen sein, die unangemessen niedrig angesetzt sind.

Natürlich dürfen wir die Augen vor den Schwierigkeiten nicht einfach verschließen. Doch der Blick sollte auch nicht starr auf die Probleme fixiert sein. Denn das führt nur dazu, die Ehe von vornherein abzulehnen. Außerdem sollten wir uns nicht zu schnell täuschen lassen: Es gibt durchaus auch heute Menschen, die in ihrer Ehe glücklich sind. Ihre Zahl ist gar nicht so gering, wie es manchmal scheinen könnte. Es sind die, die den Wunsch haben, aus ihrer Lebensgemeinschaft etwas Schönes, etwas Großes zu machen - und die den Einsatz dafür nicht scheuen. Ich meine den echten Einsatz, nicht nur das Erlernen einiger oberflächlicher Spielregeln. Echter Einsatz bedeutet, sich selbst und seine Haltungen immer wieder zu überprüfen. In erster Linie, denke ich, geht es nicht darum, was man tun, sondern wie man sein muß, um eine glückliche Ehe zu führen. Denn in der Ehe bilden Mann und Frau eine neue Seinseinheit. Daraus erwächst die große Forderung, das eigene Sein reinzuhalten, den Egoismus, die Herrschsucht, die Trägheit des Herzens zu bekämpfen, damit das Böse nicht zum anderen übergehe, ihn nicht anstecke oder vergifte. Wenn man bereit ist, sich selbst zu bessern, dann kann man gewöhnlich auch eine bessere Ehe führen.

2. Verliebtheit

Am Anfang sieht alles ganz einfach aus. Man ist verliebt in den Mann, in die Frau. Man sehnt sich danach zusammenzusein, und man tut alles, damit der andere glücklich ist. Hindernisse und Mühen zählen nicht; man spürt sie kaum. Die Fesseln der Trägheit, das dumpfe Dahinleben scheinen überwunden zu sein. "In der echten Verliebtheit wird der Mensch zart und sogar rein," sagt der Philosoph Dietrich von Hildebrand. Er meint hier nicht den Gefühlsrausch, das sinnliche Gefangensein, sondern echte Begeisterung für einen anderen Menschen - ein Hingerissensein, an dem Verstand und Herz, Wille und Gefühl beteiligt sind. Mag diese Begeisterung zunächst auch in äußeren Zügen des anderen gründen, so erfaßt sie doch die Güte und Schönheit des anderen Wesens. Ebenso wie die eheliche Liebe, so ist auch ein echtes Verliebtsein auf strenge Ausschließlichkeit und auf Dauer gerichtet. Wer sagt: "Jetzt bin ich verliebt; aber ob das morgen noch der Fall ist, weiß ich nicht", - der ist berauscht, aber nicht wirklich verliebt.

Es ist wünschenswert, wenn die intensiven Gefühle der Verliebtheit am Anfang der ehelichen Beziehungen stehen; sie machen den Start leichter. Ein Flugzeug, das von München nach Hamburg aufbricht, verbraucht achtzig Prozent seines Benzins in der Startphase. Diese ungeheure Energie muß investiert werden, um die Maschine auf Flughöhe zu bringen. Ist diese einmal erreicht, so wird eine andere Form der Energiezufuhr erforderlich. Sie muß nun gleichmäßig und ausdauernd sein, und ab und zu muß man kleinere (oder größere) Korrekturen vornehmen, um auf dem Kurs zu bleiben.

Echte Verliebtheit ist wohl die beste Voraussetzung für eine Heirat. Doch absolut notwendig ist sie nicht. Alle Dichter und Denker und viele Menschen mit Lebenserfahrung sind sich darüber einig, daß eine große Verliebtheit, die in die Ehe mündet, nicht unbedingt das Gewöhnliche ist. Wer sie erfährt, fühlt sich glücklich und beschenkt. Doch auch wer sie anfangs nicht erfährt, kann eine gute Ehe führen. Da die Verliebtheit in erster Linie nicht Sache unseres Willens ist, wäre es unsinnig, sie schon für den Eingang der Ehe zu fordern oder die Dauer des Bundes von ihr abhängen zu lassen.

Auch die Ehe aus Sympathie, aus Freundschaft und Wohlwollen hat ein gutes Fundament. Sie ist zwar unromantischer, nüchterner, aber sie ist überaus entwicklungsfähig. Sympathie kann sich zur Liebe erwärmen; aus Gewohnheit können Zärtlichkeit und Vertrauen reifen.

Zahlreiche Ehen werden aus Vernunft und Pflicht geschlossen. Witwer müssen ihren Kleinkindern eine Mutter bringen, Frauen den heranwachsenden Söhnen einen Vater; man heiratet aus Dankbarkeit oder auch, um versorgt zu sein. Es gibt die Geld- und Namensheirat, die sogenannte "gute Partie"; es gibt auch die Heirat, weil ein Kind unterwegs ist, und die einfache Angst, allein zu bleiben ... Natürlich sind das keine Idealmotive. Doch wenn man zumindest Gefallen am anderen hat, wenn man sich zumindest bei ihm "wohl fühlt" und fest entschlossen ist, eine Lebensgemeinschaft einzugehen, sind diese Ehen oft einer Vertiefung und Entwicklung fähig (am wenigsten wohl die Geldehe). Es sind Ehen auf Hoffnung hin: Hoffnung auf "wirkliche" Liebe, die nicht nur die Ratio, sondern auch das Herz ergreift.

Auf irgendeine Weise gehört die Verliebtheit wohl immer zur ehelichen Liebe dazu - und sei es nur als latente Möglichkeit. Ich halte es nicht für richtig, sie abzuwerten; ihr Mangel könnte einer der häufigsten Gründe für spießige Verhältnisse sein. Das heißt nicht, daß die Verliebtheit immer in gleicher Lebendigkeit bestehen müßte. Doch die eheliche Liebe sollte von ihr gefärbt sein, denn sie stellt - in immer tieferer Weise verwirklicht - deren vollste Realisierung dar.

Dabei sind Ehe und Liebe natürlich nicht einfach gleichzusetzen. Die Ehe ist ein objektiver Bund, der unabhängig von den aktuellen Empfindungen der Liebe besteht, Halt und Dauer garantiert. Dieser Bund ist wie ein Gehege, in dem die Liebe sich entfalten kann. Er beruht auf einer eindeutigen Entscheidung. Der Ausdruck "ich liebe dich" ist typisch für diesen Entscheidungscharakter. Jeder Zusatz wie "ich liebe dich sehr" oder "ich liebe dich außerordentlich" wird daher nicht wie sonst als Steigerung, eher als Abschwächung erfahren.

Im Idealfall sagt man auch nicht: "Ich liebe dich, weil du schön (oder klug oder stark oder musikalisch) bist." Denn dann liebt man nur etwas an dem anderen (was gewiß liebenswert ist); aber man liebt noch nicht den anderen selbst, so wie er wirklich ist. Im Idealfall müßte man sagen: "Ich liebe dich, weil du - du bist." Dann liebt man den anderen um seiner selbst willen, über alle Wechselfälle des Lebens, über Krankheit und Alter, ja über den Tod hinweg.

3. Erkennen des anderen

"Ich liebe dich, weil du du bist" bedeutet: "Ich erkenne, wer du bist; ich erfasse dich in deinem unverwechselbaren Wesenskern - und ich bejahe dich so, wie du bist." Eheliche Liebe (wie überhaupt jede Liebe) hat zunächst einmal mit Erkenntnis zu tun: Nur wenn ich jemanden kenne, dann kann ich ihn lieben. Und wenn ich ihn liebe, dann möchte ich ihn immer mehr kennenlernen. Umgekehrt gilt auch, daß ich Freude daran habe, wenn der, von dem ich mich geliebt weiß, immer besser mich kennenlernt. Deshalb suchen Liebende das Gespräch und die Gegenwart der geliebten Person, in immer intensiverer Form. Es hat einen tiefen Sinn, daß die Bibel die geschlechtliche Gemeinschaft "erkennen" nennt.

Wir kennen den anderen und kennen ihn doch wieder nicht, denn jeder Mensch ist ein unergründliches Geheimnis. Je weiter wir in die Tiefe unseres eigenen Seins oder das eines anderen Menschen hineingehen, umso mehr entzieht sich uns das, was wir erkennen möchten. Trotzdem hält die Liebe den Wunsch wach, in den innersten Wesenskern des anderen einzudringen. Und nur sie kann uns - wenigstens ein Stück weit - offenbaren, wie der andere wirklich ist.

Wahre Liebe macht sehend, nicht blind. Wenn ich jemanden gern habe, dann merke ich zum Beispiel, daß er sich ärgert, auch wenn er es zu überspielen versucht. Dann kann ich auch tiefer blicken und erfassen, daß der andere Angst hat oder sich schuldig fühlt. Sein Ärger ist also nur Ausdruck eigener Unzufriedenheit. Ich sehe in dem anderen dann den verängstigten und verwirrten, den leidenden und nicht den erbosten Menschen. Liebe führt zum Verständnis.

Am Beginn einer Ehe ist es wohl nur sehr unvollkommen möglich, den anderen zu erkennen, wie er wirklich ist - und die Entwicklung vorauszusehen, die er nehmen wird. Dazu braucht es Jahre des Miteinanders. Die Erkenntnis, die man mit der Zeit erwirbt, kann schmerzlich, aber auch befreiend sein. Vielleicht entspricht der andere nicht meinen ersten Eindrücken, nicht meinem Traumbild. Ich sehe immer mehr auch seine Grenzen und Schwächen, seine Fehler und Unvollkommenheiten. Doch je mehr ich mich von meinem Traumbild löse, desto tiefer erfasse ich auch die Einmaligkeit des anderen Menschen. (Jeder lebende Mensch ist ein Original; Phantasieprodukte dagegen sind höchst stereotyp, wofür die Kitschromane serienmäßig Beweise liefern.) Ich kann mir bewußt machen, daß der andere so ist, wie niemand vor ihm war und niemand nach ihm sein wird. Mit der Zeit erfasse ich dann immer mehr auch seine tiefsten Möglichkeiten. Ich erfasse also nicht nur, wie er ist, sondern auch, wie er sein kann und sein soll, wie seine Vollendung, seine tatsächliche "Selbstverwirklichung" aussehen könnte. Mir wird immer klarer, wie Gott ihn von Ewigkeit her gewollt hat und für alle Ewigkeit haben möchte. Daher gehört der Himmel auf irgendeine Weise zu jeder wahren Liebe mit dazu. Der Himmel ist hier als jener Ort zu begreifen, an dem alles vollkommen verwirklicht ist. Je mehr ich jemanden liebe, desto tiefer schaue ich in ihn hinein und desto mehr ahne ich etwas von seiner endgültigen Vollendung. Auch in diesem Sinne bringt die Liebe gewissermaßen den Himmel auf die Erde.

Das Erkennen des anderen soll uns natürlich nicht aus dem Leben entführen; es soll uns tief darin verankern. Je mehr ich erfasse, wie ein anderer ist und sein soll, desto mehr muß meine Liebe zu ihm wachsen. Ist dies nicht der Fall, so wird die Erkenntnis wieder schwinden, und es bleibt nur die enttäuschte und resignierte Erinnerung an ein Scheinbild, an eine Illusion. In dem Maße aber, in dem meine Liebe zunimmt, spüre ich den Wunsch, daß der andere möglichst gut, möglichst vollkommen, möglichst "er selber" sei, und ich werde bereit, ihm dabei zu helfen. Ich sehe immer mehr, daß meine persönliche Verwirklichung darin besteht, dem anderen zu seiner Verwirklichung zu verhelfen.

4. Geborgenheit

In der ehelichen Gemeinschaft stehen zwei Menschen sich ohne Maske gegenüber. Jeder wird "um seiner selbst willen" geliebt, aufgrund dessen, was er ist, und nicht dessen, was er hat. Man braucht sich nicht zu rechtfertigen und zu verteidigen, nicht durch Leistungen die Gunst erwerben. Nach sechszehn Ehejaaren erzählte eine Frau: "Mein Mann sagt immer: 'Ich habe dich geheiratet, weil ich es als selbstverständlich betrachten wollte, daß du da bist.' Das klingt zwar nicht sehr charmant, doch er meint damit: 'Bei dir fühle ich mich wohl. Auf dich kann ich mich verlassen. Es ist schön zu wissen, daß ich nicht dauernd um dich kämpfen oder einen guten Eindruck auf dich machen muß.'" Er meint damit auch: "Ohne dich kann ich mich selber nicht verstehen. Du gehörst zu mir. Du bist meine bessere Hälfte."

Ein entscheidender Augenblick in der Liebe zweier Menschen ist dann gegeben, wenn beide spüren, daß sie einander gehören. Diese Entdeckung begründet eine tiefe Vertrautheit und damit das Bedürfnis nach Geborgenheit in beide Richtungen: Man möchte den anderen bergen und sich von ihm bergen lassen.

Viele glückliche Eheleute haben längst darauf verzichtet, sich gegenseitig imponieren zu wollen. Jeder kann vor dem anderen ganz einfach Mensch sein, sich von allen Zwängen und Rollenspielen der Gesellschaft erholen. Dadurch schöpfen beide neue Kraft für neue Taten. Was macht es schon aus, daß man müde ist und sich schwach fühlt, wenn es einen Menschen gibt, der alles versteht? Was macht es aus, daß man sich täglich im Büro ärgert, wenn es einen Menschen gibt, bei dem man alle Sorgen abladen kann - und dessen Liebe mehr zählt als sämtliche Beleidigungen?

Natürlich ist es gar nicht immer einfach, in der Ehe ein Klima der Geborgenheit zu schaffen. Das erfordert Zeit und Einsatz; es ist sicher nicht nur eine Feierabendbeschäftigung. Wünsche, Hoffnungen und Sehnsüchte des Partners müssen ernst genommen werden, psychische Belastungen und Empfindlichkeiten ebenfalls. Manchmal ist es angebracht, Unerfreuliches fernzuhalten, peinliche Situationen zu überbrücken, die innere Verletzlichkeit des anderen zu bedenken. Zweifellos gehört es auch zur Liebe dazu, mit wirklichem Interesse zuzuhören, was auch immer der andere zu erzählen hat. Kürzlich sagte ein (unglücklich) verheirateter Mann: "Früher habe ich sehr gern Geschäftsreisen gemacht, doch heute habe ich keine Freude mehr daran: Denn es gibt niemanden, dem ich hinterher davon erzählen könnte." Die Bereitschaft aufzunehmen, zu empfangen, am Leben des anderen teilzunehmen ist sicherlich eines der größten Geschenke, das man einem anderen Menschen machen kann. Leider gibt es viele, die zuhören und sogar Ratschläge erteilen, ohne innerlich beteiligt zu sein. Sie nehmen das, was der andere sagt, nicht ernst, und genauso wenig ernst nehmen sie ihre eigenen Antworten.

Ein häufiges Zeichen für Vertrautheit ist, ein Geheimnis zu teilen. Jede Ehe hat ihr Geheimnis, etwas, das nur den Partnern bekannt ist. Dabei kann es sich um ganz banale Dinge handeln, etwa daß sie die letzte Familienfeier unerträglich fand, oder daß er unter Höhenangst leidet. Jeder zeigt sich dem anderen, wie er ist. Man schämt sich nicht voreinander. Je näher die Ehepartner sich stehen, desto wahrscheinlicher ist es, daß das Geheimnis gewahrt wird. Wer jedoch das Wissen über den anderen mißbraucht, zeigt, daß er keine Liebe mehr hat.

Der Grad der Vertrautheit in einer Ehe hängt in hohem Maße davon ab, daß beide das Gefühl haben, dem anderen wichtiger zu sein als alles andere. In Gesprächen mit geschiedenen Frauen hört man überraschend oft: "Mein Mann gab mir nie das Gefühl, etwas Besonderes zu sein; ich bedeutete ihm nicht mehr als andere Menschen. Er machte sich keine Sorgen um mich; ich war ihm egal." Wenn wir auf einem Flughafen festsitzen und erfahren, daß wir mit einigen Stunden Verspätung nach Hause kommen, dann laufen wir zur nächsten Telefonzelle und rufen den an, der uns erwartet, damit er sich keine Sorgen mache. Und wenn wir niemanden haben, den wir anrufen können, weil eben niemand uns erwartet - dann fühlen wir uns vielleicht sehr einsam.

5. Geben und Empfangen

Wer liebt, der möchte das Glück des anderen. Deshalb beschäftigt er sich mit dem anderen, nicht etwa mit dem Genuß der eigenen Liebe. Der andere wird zum Gegenstand seines Denkens, Fühlens und Wollens, seiner Hoffnung und seiner Sehnsucht. Er lebt nicht nur mit ihm, sondern auch für ihn. Er möchte für den anderen dasein, ihm Gutes tun. Papst Johannes Paul II. sagt, wer wirklich liebt, der möchte dem anderen alles schenken, was man weder kaufen noch verkaufen kann, denn das ist am meisten wert. Wer liebt, gibt dem anderen etwas von sich selbst, von seinem eigenen Leben - etwas, das in ihm lebendig ist. Er gibt von seiner Freude und von seiner Traurigkeit, von seinen Hoffnungen und Enttäuschungen, Erfahrungen und Zukunftsplänen, von seinem Wissen, seinen Interessen, seinen Überlegungen und seinem Humor - er gibt sich selbst. Indem er den anderen an seinem Leben teilhaben läßt, bereichert er ihn. Er steigert in ihm das Gefühl des Lebendigseins und verstärkt gleichzeitig dieses Gefühl auch in sich selbst. Er erweckt also in dem anderen etwas zum Leben, das dann auf ihn zurückstrahlt. Wenn jemand wahrhaft gibt, wird er ganz von selbst etwas zurückempfangen. Denn zum Geben gehört, daß man auch den anderen zum Geber macht, und beide haben ihre Freude daran.

Übrigens bedeutet das Geben nicht nur in der (ehelichen) Liebe zugleich auch Empfangen. Der Lehrer lernt von seinen Schülern, der Sportler wird von den Zuschauern angespornt, so mancher Psychotherapeut wird von seinen Patienten geheilt. Dies ist an sich in bester Ordnung, birgt aber auch eine Gefahr in sich: Man kann im Geben leicht sich selber suchen. Sogar in einem scheinbar uneigennützigen Tun kann man die Liebe verlieren. Selbst durch Güte kann man den anderen ins Unrecht setzen; durch demonstrative Hingabe kann man ihn geradezu beleidigen. Man denke nur an eine Frau, die sich in ihren Putzaktionen völlig verausgabt und dies dann ihrem Ehemann zum Vorwurf macht!

Ein wesentliches Element der Liebe ist die Selbstlosigkeit. Nur wenn man von sich selbst absieht, wenn man nicht ständig Lob und Anerkennung ergattern möchte, kann man am Leben eines anderen teilnehmen. Das setzt natürlich eine gewisse Reife und Unabhängigkeit voraus. Bevor man für andere dasein kann, muß man zu sich selbst gefunden haben. Bevor man andere annimmt, wie sie sind, muß man sich selbst angenommen haben. Und bevor man sich mit den Gedanken eines anderen auseinandersetzt, muß man sich eigene Gedanken gemacht haben. Sowohl der Mann als auch die Frau müssen fähig werden, selbständig zu denken und zu planen. Diese Selbständigkeit ist geradezu eine Vorbedingung für echtes Lieben-Können. Wenn ich an einem anderen Menschen hänge, weil ich nicht auf eigenen Füßen stehen kann, dann kann dieser andere vielleicht mein Lebensretter sein, meine Stütze, mein Stolz und mein Zuhause - aber Liebe ist unsere Beziehung nicht! Solange ich keine eigenen Überzeugungen habe, solange meine Handlungen nur Reaktionen und Echowirkungen auf die Verhaltensweisen der anderen sind, kann ich niemandem ein echter Partner sein.

Liebe ist nur auf der Grundlage der Freiheit möglich. Wer frei ist, hat nichts dagegen, sich hinzugeben, klein zu sein. Er gönnt dem anderen, was er vielleicht selbst entbehrt. Und nicht selten freut er sich sogar, daß der andere größer ist als er.

6. Enttäuschungen

Es wird deutlich, daß der eheliche Alltag sehr schön, aber auch recht anstrengend sein kann. Jeder erlebt Zeiten, in denen er schwach wird, sich gleichgültig fühlt, in denen er den Mut sinken läßt. Manchmal scheint es leichter, in äußere Korrektheit zu flüchten, als sich ständig neu auf den Partner einzustellen. Und es gibt nicht wenige Paare, die sich bewußt oder unbewußt diesen Lebensstil zu eigen gemacht haben. In vielen Ehen ist es still geworden, nicht weil man keine Zeit füreinander finden könnte, sondern weil man sich in der Tiefe gegen den anderen verschlossen hat. Wenn jedoch das eheliche Gespräch verstummt, fehlt mehr und mehr die Geborgenheit. Die Liebe verwildert, und dies drückt sich bisweilen im Sinken der Umgangsformen aus. Auch in der Sexualität kann es dann roh werden. Körperliche Nähe ohne ganzheitliche geistige Nähe, ohne Gleichklang im Denken und Wollen, wird zumindest von den meisten Frauen als Belastung empfunden.

Es kann nicht darum gehen, den Schwierigkeiten einfach auszuweichen. Manche Leute meinen, wenn sie sich lieben, dann dürfe es nie zu Konflikten kommen. Schmerz und Traurigkeit seien unter allen Umständen zu vermeiden. Doch das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Probleme gehören zum normalen menschlichen Leben einfach dazu. Sie sind nicht aus der Welt zu verbannen, wie übrigens auch die Krankheiten nicht. Wenn man meint, man hätte einen gefährlichen Krankheitserreger ausgerottet, dann taucht ein neuer auf. Früher kämpfte man gegen Pest und Cholera, heute gegen Krebs und Aids. Das ist die Wirklichkeit, die wir annehmen müssen. Wir können uns nicht in eine Scheinwelt verkriechen, in einen selbsterbauten Elfenbeinturm - wir können nicht immer Kinder bleiben. Genau das versuchen aber die Ehepartner, die jeden Konflikt umgehen wollen. Wenn sie sich angewöhnen, alles, was unangenehm ist, in stillschweigendem Einverständnis unter den Teppich zu kehren, dann können sie einige Zeit vielleicht einen Scheinfrieden zur Schau stellen. Doch sie bezahlen schließlich einen hohen Preis dafür: Denn bald langweilen sie sich miteinander und mit ihren oberflächlichen Gesprächen, und die Ehe gerät in eine Sackgasse. Vielleicht flüchten sie dann vor sich selbst und vor ihrem Partner - zu den Kindern oder zur Arbeit, in den Beruf oder ins Abenteuer.

Besser, es geht ab und zu laut und konkret zu, als daß die Liebe unter einer lähmenden Decke von falschen Rücksichtsnahmen erstickt. "Ein Haus ohne Streit gleicht einer Hochzeit ohne Musik," sagt ein türkisches Sprichwort. Ich kenne glückliche Ehen, in denen es sehr schmerzhafte Gespräche, ab und zu auch einen heftigen Streit, Tiefpunkte und Perioden der Unsicherheit gegeben hat. Aber nach jeder Auseinandersetzung rangen die Eheleute sich durch, den Anfang ihrer Lebensgemeinschaft noch einmal zu wiederholen: Sie sprachen erneut das Ja zueinander, bewußter und auch freier als beim ersten Mal.

Eine Ehekrise ist keine Katastrophe. Wer vor ihr davonläuft, hat sie überbewertet. Wer sie ignoriert, geht leichtfertig mit ihr um. Wir sollten die Chance entdecken, die in ihr verborgen ist. Durch Belastungen wird die Liebe reifer und tiefer; in jedem Sturm kann sie erneuert werden. Mit den Jahren liebe ich immer mehr, weil ich lieben will, weil ich den anderen zu meinem Ehepartner gewählt habe und bereit bin, Enttäuschungen zu verkraften.

Zur Ehe gehört nicht die gegenseitige Erfüllung von Wunschträumen, sondern der Mut, zu einem Menschen Ja zu sagen, der sich im Laufe der Jahre immer wieder anders verhält, als dies meinen Vorstellungen entspricht. Was in einer Ehekrise zerbrochen werden muß, ist nicht die Ehe; es sind die Träume und Illusionen. Und was wir in einer Ehekrise vor allem lernen können, ist die Bereitschaft zur Versöhnung. Das ist gar keine leichte Lektion, doch es ist wohl der einzige Weg, die Wunden, die wir uns gegenseitig zugefügt haben, zu heilen. Wir dürfen das Böse nicht nachrechnen. Wir dürfen kein "Konto" über die Verfehlungen des anderen führen. Wer sich um echte Liebe bemüht, der kann einfach nicht den geradezu perversen Satz aussprechen, den man öfter hört: "Ich verzeihe dir, aber vergessen werde ich nicht." Wenn wir alle Fehler eines Menschen speichern, dann können wir selbst das liebenswerteste Geschöpf in ein Scheusal verwandeln!

Wir müssen an die Möglichkeiten des anderen glauben und ihn dies auch spüren lassen. Manchmal ist es fast erschütternd zu sehen, wie ein Mensch aufblüht, wenn man ihm Vertrauen schenkt, wie er sich verändert, wenn man ihn größer einschätzt und entsprechend behandelt. Es gibt zahlreiche Frauen und Männer, die durch eine stille, unaufdringliche Verehrung ihre Ehepartner anspornen, besser zu werden. Sie vermitteln ihnen die Gewißheit, daß viel Gutes und Schönes in ihnen lebt, das es zu entfalten gilt. Und sie haben die Geduld, unermüdlich an dieser Entfaltung mitzuwirken.

7. Eheliche Treue

Der Mensch braucht ein ganzes Leben, um reif zu werden. Er ist dabei auf die Hilfe anderer und, sofern er verheiratet ist, besonders auf die Hilfe seines Ehepartners angewiesen. Der Mann braucht die Unterstützung seiner Frau, und diese braucht die Unterstützung ihres Mannes, um die verborgenen Möglichkeiten zur Entfaltung zu bringen. Christlich gewendet heißt das: Die Eheleute können sich gegenseitig helfen, möglichst vollkommen, ja heilig zu werden.

Hier zeigt sich die Bedeutung der ehelichen Treue. "Treue" zielt natürlich auf den sexuellen Bereich, läßt sich aber nicht darauf beschränken. Sie besagt, daß man zum Partner steht, und zwar in allen Dimensionen seiner Persönlichkeit. Im ehelichen Alltag ist die Treue normalerweise still und unauffällig zugegen, durch einfaches Beistehen und Dabeibleiben, in guten und in schlechten Zeiten. Man braucht die Hilfe des anderen vor allem im gewöhnlichen Einerlei, in den Erfordernissen der Familie und des Berufes. Man braucht sie aber auch dann, wenn man versagt, wenn man an sich selbst zweifelt, vielleicht auch schuldig geworden ist. "Du mußt zu deinen Freunden stehen, besonders wenn sie unrecht haben," sagt ein französisches Sprichwort. Wenn einer im Begriff ist, in den Abgrund zu stürzen - ist der Partner dann nicht umso mehr herausgefordert, mit ihm und um ihn zu ringen?

Das klingt für uns heute sehr idealistisch. Was soll man denn tun, wenn die Verfehlungen unerträglich sind? Wenn man grenzenlos ausgenützt wird, sich wehrlos fühlt, als Spielzeug empfindet? Was geschieht, wenn man dem anderen nicht mehr vertrauen kann, weil man gute Beweise dafür hat, daß man belogen wird?

In solchen Situationen sind die letzten Grundhaltungen des Menschen gefragt. Vielleicht wird manchmal die physische Trennung unumgänglich sein. Doch es lohnt sich, vorher alle Kräfte einzusetzen, um durchzuhalten. Was würde aus unserer Welt, wenn niemand mehr bei einem anderen ausharren könnte? Mit dem ehelichen Versprechen müssen wir höchst verantwortungsvoll umgehen. In ihm haben wir uns freiwillig an eine Person gebunden. Wenn wir es als Christen und vor Gott gegeben haben, dann haben wir uns mit dieser Person und gewissermaßen durch sie hindurch zugleich auch mit Christus verbunden. Das Treueversprechen wird auch Christus gegenüber vollzogen. Man schenkt sich nicht nur gegenseitig, man schenkt sich auch Christus in dem anderen. Die Ehegatten leben nicht nur füreinander. Im Grunde leben sie gemeinsam für Christus.

Das Wesen der christlichen Ehe besteht gerade darin, daß Partnerschaft und Nähe zu Gott unmittelbar zusammengehören. Mann und Frau erreichen sich mit ihrer Liebe nicht nur gegenseitig. Miteinander erreichen sie Gott selbst. In ihrer Liebe wird Christus mitgeliebt. Denn die Ehe stellt als Sakrament eine der sieben geheimnisvollen Quellen der Teilnahme am göttlichen Leben dar. Das bedeutet: Wenn die Ehegatten einander näher kommen, werden sie zugleich inniger mit Christus vereinigt. Wenn sie sich voneinander trennen, könnte es geschehen, daß sie sich auch von Christus trennen.

Manche Menschen fragen sich: "Kann ich wirklich in der Nähe meines ruinierten Ehepartners bleiben? Habe ich dann nicht teil an seinem inneren Chaos? Werde ich dann nicht von seinen bitteren und giftigen Gefühlen, von seinen Aggressionen überschwemmt? Ich muß mich schützen und von ihm abgrenzen!" Dieser Schutz ist tatsächlich manchmal nötig, wenn es sich um eine rein menschliche Freundschaft handelt. Doch wenn man hoffen darf, daß Gottes Liebe durch die Gemeinschaft hindurchwirkt, dann braucht man keine Angst zu haben. Man kann vertrauen, daß Gottes Liebe zu heilen vermag.

Die christliche Ehe gehört nicht nur zwei Personen, die sich füreinander entschieden haben. Sie gehört auch Christus. Das gibt ihr besondere Kraft und Innigkeit. Sie verbindet die Eheleute so eng mit Gott, daß sie, selbst wenn sie subjektiv unglücklich ist, objektiv fortbesteht.

Was nun ist zu tun, wenn die eheliche Situation ausweglos erscheint? Allgemeine und glatte Lösungen gibt es sicher nicht. Jede Ehe ist einmalig! Deshalb muß jedes Ehepaar seinen eigenen Weg finden. Nicht selten geschieht es, daß der Blick auf Gott einem verzweifelten Menschen die Kraft gibt, die er braucht, um trotz aller Schwierigkeiten durchzuhalten. Andere Male wird der Blick auf Gott auch die Klarheit schenken, die nötig ist, schwerwiegende Entscheidungen zu treffen. Wie dem auch sei, in solchen Situationen äußerster Dunkelheit spüren wir gewöhnlich sehr deutlich, daß weder der Ehepartner noch sonst irgendein Mensch uns letztlich erfüllen kann - sondern nur Gott allein.

Viele Menschen finden in einem intensiven Glaubensleben den inneren Frieden zurück. Hier erhalten sie den Mut, auch weiterhin den anderen zu bejahen, sogar Elend und Schuld des Ehepartners auf sich zu nehmen und vor Gott zu tragen. Die eigene Müdigkeit und der eigene Mißerfolg treten dann in den Hintergrund. Nun kommen wir auf das zurück, wovon wir ausgegangen sind: Vorbild ehelicher Liebe ist für einen Christen nichts Geringeres als die Hingabe Christi am Kreuz! Das bedeutet nicht, daß die Ehe an sich ein Kreuz wäre oder eine Schule der Resignation. Ehe hat auch mit Glück zu tun! Doch es weist darauf hin, daß auch die Ehe ein Weg der Nachfolge Christi ist. Und Christus findet man in diesem Leben oft am Kreuz! Ein Mensch wird in der Ehe dem Leiden Christi insofern nachgestaltet, als dieses Leiden aus Liebe geschah. Aus Liebe litt Christus die Kreuzesqualen. Außerdem litt er in vollkommener Freiheit. Manchmal gibt es eheliche Situationen, die besonders stark an dieses freiwillige Leiden erinnern.

In jenen schwierigen Situationen kann man den Ehepartner wohl nur in einer besonderen Ausgestaltung der Nächstenliebe umfassen. Schuld kann man nicht bejahen, aber man kann sie mit dem anderen zusammen tragen und mit ihm zusammen sühnen. Es gibt bewundernswerte Frauen und Männer, die ihrem schuldig gewordenen Ehepartner verzeihen können. Sie nehmen selbst das Versagen und den Wankelmut des anderen an und lassen ihn immer wieder spüren, daß sie in ihm den sehen, der er werden soll. So hoffen sie, daß in ihrem Partner - langsam - neue Möglichkeiten erwachen. Wo auf diese Weise an der ehelichen Liebe bis zum Ende, ja bis zum Zerbrechen aller irdischen Hoffnungen festgehalten wird, da ist Gott sicherlich immer sehr nah!

Zweifellos gibt es eheliche Situationen, die sehr hart, fast untragbar sind. Menschen, die unter ihnen leiden, verdienen das Verständnis, die Unterstützung, nicht selten auch die Bewunderung der Mitwelt. Stattdessen ist es üblich, über sie zu tuscheln und zu urteilen! Ich denke, wir sollten uns ernsthaft bemühen, diese gesellschaftlichen Gepflogenheiten zu ändern. Nur dann werden wir wirksam zu der "Zivilisation der Liebe" beitragen können, von der unser Heiliger Vater so gern spricht.

8. Gebet füreinander

Es gibt also unglückliche Ehen, das ist ein offenes Geheimnis. Aber es gibt auch sehr viele glückliche Ehen. Ob wir nun in der einen oder anderen Situation leben, als Christen haben wir immer ein Mittel, das uns ermöglicht, dem Partner sehr wirksam zu helfen. Manche Ehepaare haben es nach langen Jahren neu entdeckt. Ich meine das Gebet füreinander.

Im Gebet begegne ich vor allem Gott; aber ich begegne in besonderer Weise auch den anderen Menschen. Wenn ich für einen anderen bete, dann sehe ich ihn mit neuen Augen, nicht mehr von meinem Ärger oder meiner Enttäuschung, sondern von Gott her. So kann ich wieder Hoffnung schöpfen. Ich lasse meine Vorurteile los und spüre Wohlwollen gegenüber dem anderen. Ich möchte ihm gerechter werden, und oft fällt mir gerade im Gebet ein, was ich ihm sagen oder für ihn tun kann.

Beten heißt zuerst, das eigene Herz zu läutern, damit andere tatsächlich Platz darin haben. "Wie kann ich irgend jemand in mein Gebet hineinnehmen, wenn darin gar kein richtiger Platz für ihn ist, wo es frei und entspannt zugeht? Wenn ich immer noch voller Vorurteile, Eifersuchtsgedanken und zorniger Gefühle bin, wird jeder, der eintritt, verletzt werden" (Nouwen). Wir müssen in unserem Inneren einen Raum für die anderen schaffen. Wir müssen ihnen in unserem Herzen einen gastlichen Platz anbieten, an dem wir sie mit all ihren Ängsten und Schmerzen zu bergen vermögen.

Wenn wir das erreichen, dann wird es leichter sein, daß andere Vertrauen zu uns haben. Manchmal meinen wir, wir könnten unsere negativen Gefühle und Gedanken einfach überspielen; es komme nur darauf an, sich nach außen hin anständig zu verhalten. Und wir wundern uns, daß die anderen so mißtrauisch sind! Der Grund ist sehr einfach: Die anderen spüren normalerweise ganz genau, was in uns vorgeht. Sie merken, ob sie abgelehnt oder bejaht werden, und verhalten sich entsprechend. Hier sehen wir noch einmal, wie wichtig es ist, daß jeder bei sich selbst aufräumt, bevor er etwas von den anderen verlangt.

9. Schluß

Vielleicht gibt es die Liebe auf den ersten Blick, sicher aber nicht das Gelingen einer Ehe auf Anhieb. Die Ehe entfaltet sich in all den schönen und schweren Prozessen, die zur Begegnung zweier Menschen gehören, die so verschieden sind, wie eben nur zwei Originale verschieden sein können. Sie kennt harte Phasen und Durststrecken. Diese können als Auftrag verstanden werden, miteinander zu reifen, sei es auch über viele Irrwege hinweg. Gerade auch in den Schwierigkeiten haben zwei Menschen die Möglichkeit, immer tiefer zu erfassen, wozu die Liebe fähig macht - eine Liebe, die nicht mehr träumt, sondern sieht.

Gewiß, eheliche Liebe ist exklusiv, aber sie liebt im anderen die ganze Menschheit. Sie ist exklusiv nur in dem Sinne, daß man sich mit ganzer Intensität eben nur mit einem einzigen Menschen vereinigen kann. Doch wenn ich einen einzigen Menschen wirklich liebe, dann wird das Herz weit gemacht und ich wende mich auch vielen anderen zu.

Die fröhlichsten Eheleute sind wohl die, die sich gar nicht so sehr um das eigene Glück kümmern. Sie suchen nicht ständig den eigenen Vorteil, und sie verfolgen auch nicht das ebenso kleinkarierte Ziel, sich ins eigene, warme Nest einzuigeln. Im Gegenteil, sie wollen ihr Glück und ihre Liebe den anderen Menschen weitergeben - den eigenen Kindern, den Verwandten, Freunden, Nachbarn und Berufskollegen.

So ist die Ehe ein wahres Kunstwerk der Liebe - ein Kunstwerk, an dem Mann und Frau bauen, ändern, korrigieren und neu gestalten, ein ganzes Leben lang. Sie erfordert Einsatz und Mühen. Daran ermahnt uns der christliche Glaube, wenn er die eheliche Liebe mit der Hingabe Christi am Kreuz vergleicht. Er lehrt uns aber auch, daß gerade durch diese Hingabe Glück und Erlösung in die Welt kamen. Wenn wir gerufen sind, das Handeln Christi mit unseren geringen Kräften nachzuahmen, so ist das als Auszeichnung zu verstehen, nicht als Behinderung: Auch wir dürfen dazu beitragen, daß die Menschen um uns froher werden und ihr ewiges Ziel erreichen. Und wir können sicher sein: Was wir am Ende unseres Lebens in den Händen halten, das ist nicht unser Geld und auch nicht unser Erfolg. Was unsere wirkliche, ewig andauernde Existenz aufbaut, ist die Liebe, die wir gegeben und empfangen haben - sonst nichts.

21.9.06

Zerstört Der Feminismus die Familie ?

1. Vorbemerkung

Kürzlich las ich einen Artikel, der weitschweifig zu erklären versuchte, daß der Feminismus die Familie zerstört. Ich war, offen gesagt, etwas erstaunt und begann nachzudenken. Zerstört der Feminismus wirklich die Familie? Unwillkürlich fiel mir ein Erlebnis ein, das ich vor einiger Zeit in Südamerika hatte. In Santiago de Chile sagte man mir, eine berühmte (und als energisch bekannte) Feministin wolle mit mir über Frauenfragen diskutieren. Es handelte sich um die Gründerin und Rektorin einer mittelgroßen Privatuniversität. Wir vereinbarten einen Termin. Ich machte mich auf die heftigsten Auseinandersetzungen gefaßt und ging einige Tage später mit einer gewissen Angriffslust zu unserem Treffen in die besagte Uni. Als ich das Rektorat betrat, fiel mir als erstes auf, daß dort an der Wand ein großes Bild der Gottesmutter hing. Daneben gab es ein fast ebenso großes Bild von unserem Heiligen Vater, Johannes Paul II.. Die Rektorin selbst war eine sehr gepflegte, freundliche Frau. "Ich setze mich dafür ein, daß die Frauen studieren können und Arbeitsplätze bekommen", sagte sie mir. "Ich träume vom Hausfrauengehalt und von der Abschaffung der Pornographie. Man nennt mich Feministin, weil ich alle Briefe, die an den Rektor dieser Universität gerichtet sind, zurücksende; denn es gibt hier nur eine Rektorin." Und dann fügte sie lächelnd hinzu: "Dabei habe ich gar nichts gegen die Männer. Ich bin seit langem verheiratet und liebe meinen Mann mehr als vor dreißig Jahren."

Sicher werden Sie mit mir übereinstimmen, daß solch ein Feminismus die Familie keinesfalls zerstört. Ich denke sogar, daß dieser Feminismus für die eheliche Gemeinschaft und die Familie äußerst förderlich ist. Denn er gibt der Frau die Würde zurück, die ihr bekanntlich in einigen Epochen und Kulturen abgesprochen worden ist und zum Teil auch heute noch abgesprochen wird. Ja, auch heute noch, und das ist weder Ideologie noch Übertreibung. Nun brauchen wir gar nicht an die verschleierten Frauen in Saudiarabien zu denken und auch nicht an jenes westafrikanische Volk der Lyéla, die ihre Gattinnen als wichtigsten Teil des Erbes betrachten. (Eine der Formeln, mit denen ein Lyél seinen ältesten Sohn offiziell als Nachfolger einsetzt, lautet entsprechend: "Ich übergebe dir mein Land und meine Frauen.")[1] Wir müssen auch nicht hochmütig den Raub der Bräute im kriegerischen Sparta verurteilen[2] und das sogenannte finstere Mittelalter beweinen (das so "frauenfeindlich" übrigens gar nicht war).[3] Wie gesagt, so weit brauchen wir nicht zu gehen. Wie steht es mit der Achtung der Frau in unserer Gesellschaft, in unseren Familien? Auch heute noch wird die Frau auf zahlreichen Werbeplakaten und in Kinofilmen, in "bunten Blättern" und Stammtischgesprächen als nicht ganz zurechnungsfähig, als Dekorations- und Ausstellungsstück, als Objekt männlicher Begierden hingestellt. Ihr Einsatz in Haus und Familie wird noch längst nicht gebührend geschätzt und unterstützt. Kommt es nicht immer noch vor, daß ein Sohn, nur weil er männlich ist, nach dem ausgiebigen sonntäglichen Mittagessen mit dem Vater vor dem Fernseher sitzen darf, während die Töchter mit der Mutter in der Küche verschwinden? Oder daß eine junge berufstätige Mutter sich allein mit dem Haushalt abrackern muß und zur Belohnung den Vorwurf bekommt, sie kümmere sich nicht genug um ihren teilzeitbeschäftigten Ehemann und um die Kinder - und obendrein sei die Wohnung nicht ganz sauber? Wie viele nicht berufstätige Ehefrauen müssen auch heute noch jeden Groschen von ihrem Mann erbetteln und haben weder Zugang zum Konto noch Übersicht über die Geldangelegenheiten ihrer eigenen Familie! Wie viele dürfen das gemeinsame Auto fahren? Zugegeben, das sind oberflächliche Fragen. Doch sie bringen zum Ausdruck, wie viel (oder wie wenig) Verständnis und Liebe den Frauen in ihren sicher oft schwierigen Situationen entgegengebracht werden.

Es gibt also eine Frauenförderung, die durchaus sinnvoll und angemessen, ja sogar notwendig ist. Sie bemüht sich darum, daß die Menschenrechte nicht nur Männerrechte seien, daß beide, sowohl der Mann als auch die Frau, in ihrem Personsein an- und ernstgenommen werden. Und sie bemüht sich darum, jeden einzelnen Menschen in seiner Individualität zu erfassen, niemanden auf ein Klischee festzuschreiben. Das gilt übrigens in jedem Sinn. Heute zweifelt wohl niemand mehr daran, daß auch eine Frau die komplizierteste Technik beherrscht. Doch deshalb müssen nicht alle Frauen Technikerinnen werden und am Computer ihre Freude haben. "Die emanzipierte Frau ist Managerin, vielleicht auch Architektin oder Büroangestellte, auf jeden Fall außerhäuslich tätig" - so lautet das neue Dogma. Doch warum sollte die "emanzipierte" Frau nicht Mutter einer kinderreichen Familie sein, sofern man Emanzipation als gelungenen Reifungsprozeß versteht? Wenn eine Frau lieber Kuchen backt und Jacken strickt, mit Kindern spielt und ein gemütliches Zuhause zu schaffen sich bemüht, so heißt das nicht, daß sie sich resigniert in die Rollenerwartungen des 19. Jahrhunderts eingefügt hätte. Es heißt einfach, daß für sie etwas anderes wichtig ist als für ihre Kritikerinnen. In erster Linie kommt es doch nicht darauf an, was jemand tut, sondern wie er es tut. Weder Beruf noch Familie sind von sich aus Lösungen für persönliche oder zwischenmenschliche Probleme; beide bergen Chancen und Risiken in sich. So ist es durchaus möglich, daß gerade eine berufstätige Frau wegen der ständigen Spezialisierung ihrer Tätigkeit überaus "eng" wird, während eine Hausfrau, die täglich die unterschiedlichsten Arbeiten bewältigt, an Weite gewinnt. Die Frau im Beruf ist den gleichen Gefahren ausgesetzt wie der Mann - übertriebenem Karrieredenken, einseitigem Streben nach Macht... -, vielleicht sogar noch etwas mehr, da sie - auch heute noch - von ihren Kollegen besonders hart geprüft und kritisch beurteilt wird.

Damit möchte ich nicht sagen, daß alle Frauen ins traute Heim zurückkehren müssen. Ich denke nur, daß man jedem ermöglichen sollte, frei und gelassen das zu tun, was er als gut erkennt, ohne immer wieder neue Polemiken anzuzetteln. Es ist viel zuviel darüber diskutiert worden, ob und inwiefern Frauen anders seien als Männer. Zunächst einmal ist jeder Mensch anders als alle anderen Menschen. Jeder muß die Gelegenheit bekommen, sich frei zu entfalten, glücklich zu sein und andere glücklich zu machen - egal auf welchem Lebensweg, in welchem Stand oder Beruf. Frauen haben es da in historischer und gesellschaftlicher Perspektive manchmal etwas schwerer gehabt als Männer. Ihnen muß daher in besonderer Weise geholfen werden, der eigenen Bestimmung entsprechend zu leben. Darum bemüht sich ein Feminismus, den wir "angemessen" nennen können. Da ich Christin bin und die wahre Frauenförderung mit meinem Glauben in Verbindung bringe, würde ich hier vom "christlichen Feminismus" sprechen. Darauf kommen wir später zurück.

2. Der Radikalfeminismus

Nun sind wir fast beim Thema. Es gibt, wie schon angeklungen, auch eine andere Art des Feminismus, der in den westlichen Ländern sehr verbreitet ist. Er ist öfter als "Extrem"- oder "Radikal"-Feminismus bezeichnet worden. Es scheint mir, daß er - zumindest was seine Selbstdarstellung betrifft - den Höhepunkt bereits hinter sich hat. Doch nun ist seine Breitenwirkung festzustellen; überall kann man seine Auswirkungen antreffen, und zwar in zunehmendem Maße. Diese sind schlichtweg verheerend. Wir alle kennen zur Genüge das Gerede vom "Mythos der Mutterschaft", den es zu zerstören gelte, oder vom Macho, den frau vertreiben muß. An einigen Formulierungen wird deutlich, daß die Grenze zur Absurdität längst überschritten ist.

Bekanntlich gilt die französische Philosophin Simone de Beauvoir als wegbereitende Feministin unseres Jahrhunderts. Ihr Einfluß ist nicht leicht zu überschätzen.[4] Ihre Monographie "Le Deuxième Sexe" (erstmals erschienen 1949, deutsch 1951), wird oft als "Bibel der Frauenbewegung" bezeichnet.[5] Hier postulierte Simone de Beauvoir zum ersten Mal mit ungeheurer Schärfe die Gleichheit der Geschlechter und gab damit den Anstoß zu einer neuen, radikalen Frauenbewegung in der westlichen Welt, der es längst nicht mehr allein um verbesserte Rechte und höhere Bildungschancen geht.

Zu Beginn ihres Hauptwerkes umreißt die Philosophin ihre weltanschauliche Position. "Unsere Perspektive", erklärt sie, "ist die der existentialistischen Ethik"[6] - "es ist diejenige von Heidegger, von Sartre (ihrem Lebensgefährten) und von Merleau-Ponty."[7] "Existentialismus", von Sartre in einen Buchtitel aufgenommen, erscheint in dieser Sicht als bewußte Absage an alles Wesensdenken. Es gibt "keine menschliche Natur", sagt Sartre, "da es keinen Gott gibt, um sie zu entwerfen."[8] Sartre beruft sich darauf, daß jeder Mensch imstande ist, sich zu dem zu machen, was er will, ohne dabei von einem Schöpfer Maß und Orientierung zu erhalten.[9]

Simone de Beauvoir ist nun bestrebt, den atheistischen[10] Existentialismus Sartres auf das weibliche Dasein zu übertragen.[11] Auch für sie ist der Mensch nicht ein "gegebenes Wesen" oder eine "starre Realität", sondern er ist "eine historische Idee", "ein Werden", - "das sich zu dem macht, was es ist."[12]. In der Ethik Beauvoirs kann jede Art von "Stillhalten" oder "Passivität" folglich nur als großes Übel betrachtet werden.[13] Aber gerade zu diesen Haltungen sei die Frau von den Männern immer wieder gezwungen worden.

Nach Simone de Beauvoir hat die Welt schon seit den nomadischen Urzeiten dem Mann gehört.[14]. Denn dieser habe schon immer durch Handlungen, die "über sein tierisches Dasein hinausgehen", in der Welt gewirkt: Als Jäger und Fischer erfand er Werkzeuge, setzte Zwecke und plante Wege. Ständig überschritt er die Gegenwart und eröffnete die Zukunft.[15] Das Privileg des Mannes bestehe darin, "daß seine Berufung als Mensch mit seinem Schicksal als Mann nicht kontrastiert."[16] Bei der Frau hingegen sei das ganz anders. Frauen seien bis heute daran gehindert worden, gestaltend in die Gesellschaft einzugreifen. Sie seien "isoliert" worden, man habe ihnen den "Ausblick verwehrt", sie stünden nun abseits.[17] Letztlich blieben sie ihr Leben lang der Immanenz verhaftet. Schuld an allem sei die traditionelle Ehe (mit der "Arbeitsteilung" der Geschlechter) und vor allem die Mutterschaft.

Die Entwertung von Ehe und Mutterschaft durchzieht das Werk Beauvoirs wie ein Leitmotiv. "Auf alle Fälle sind Gebären und Stillen keine Aktivitäten, sondern natürliche Funktionen, kein Entwurf ist dabei im Spiel, und daher kann auch die Frau darin keinen Grund einer hochgestimmten Bejahung ihrer Existenz finden."[18] Jahrtausendelang habe die Frau sich damit begnügt, nur ein "relatives Leben" - für Mann und Kinder - zu führen. "In Wirklichkeit ist sie für den Mann nur eine Zerstreuung, eine Gesellschaft, ein unwesentliches Gut. Er ist der Sinn, die Rechtfertigung ihrer Existenz."[19] Der Mann wiederum habe seine Vormachtstellung durch die Bildung von Institutionen und Mythen immer mehr gefestigt.

Anhand vieler Beispiele aus Literatur und Kultur analysiert Simone de Beauvoir den Mythos der Frau, wie ihn die Männer für ihre Zwecke geschaffen haben, und kommt zu dem Schluß: "Er ist so schillernd, so widerspruchsvoll, daß man zunächst die Einheit nicht sieht: als Dalila und Judith, Aspasia und Lucretia, Pandora und Athene ist die Frau immer Eva und Jungfrau Maria zugleich. Sie ist Idol und Magd, Quell des Lebens und Macht der Finsternis; sie ist das urhafte Schweigen der Wahrheit selbst und dabei unecht, geschwätzig, verlogen; sie ist Hexe und Heilende; sie ist Beute des Mannes und seine Verderberin; sie ist alles, was er nicht ist und was er haben will, seine Verneinung und sein Daseinsgrund"[20] - eben das "andere" Geschlecht.

Selbstverständlich wehrt sich Simone de Beauvoir gegen alle diese Festschreibungen. Frauen seien weder Engel noch Dämonen noch Sphinxe, sondern vernünftige menschliche Wesen.[21] Ihre vom Mann sowohl geforderte als auch gefürchtete Naturnähe bedeute eine radikale Beschränkung ihres menschlichen Potentials. Denn wenn sie ihren Körper auch nicht verleugnen oder ignorieren könnten, so würden sie in ihrer existentiellen Freiheit doch nicht von ihm bestimmt. Unbestritten hat Simone de Beauvoir auch treffende Einsichten; sie führt diese aber zu einer ideologischen Verengung, wie an ihrem berühmten Aphorismus deutlich wird: "Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es."[22] - später ergänzt durch den logischen Schluß: "Man wird nicht als Mann geboren, man wird erst dazu! Auch das Mannsein ist keine von Anfang an bestehende Gegebenheit."[23]

Die Frau ist für Beauvoir hauptsächlich ein "Zivilisationsprodukt".[24] Sie "ist nicht das Opfer eines geheimnisvollen, unabwendbaren Schicksals"[25], sondern einer sehr konkreten und änderbaren Situation, in der der "Mythos der Mutterschaft" letztlich immer als Vorwand gedient habe, um die Frauen dazu zu bewegen, die Hausarbeit zu verrichten.[26] Die Frau ihrerseits habe lange Zeit vor ihrer Situation kapituliert. "Weil sie nicht wahrhaben will, daß das Negative, der Schmutz, das Böse ihr Teil geworden ist, ereifert sich die manische Hausfrau voller Wut gegen den Staub, beansprucht ein Schicksal, das sie empört."[27] Sie habe verzweifelt und erfolglos versucht, den Mann in das "Gefängnis" ihrer engen Welt hineinzuziehen, sei als Mutter, Gattin oder Liebende "klettenhaft", Schmarotzer[28] oder Kerkermeisterin[29] geworden. Der Mann seinerseits habe die Frau wie eine Sklavin behandelt und ihr gleichzeitig eingeredet, eine Königin zu sein.[30] Heute aber nehme der Kampf eine andere Gestalt an: "Statt den Mann in ihrem Gefängnis miteinschließen zu wollen, versucht die Frau, aus diesem herauszukommen. Sie sucht nicht mehr, ihn in die Region der Immanenz hineinzuziehen, sondern selbst in das Licht der Transzendenz emporzutauchen."[31] Der Mann tut gut daran, ihr bei ihrer Emanzipation zu helfen: indem er sie befreie, könne er sich selbst (von ihr) befreien.[32]

Wie sieht nun die Emanzipation der Frau aus? Nach Simone de Beauvoir kann kein Zweifel daran bestehen, daß alles, was der Frau als "Kette" oder "Fessel" auferlegt worden ist, entschieden durchbrochen werden muß. Die existentialistische Philosophin entwirft eine radikale Ethik[33], in der sie Heirat[34] und Mutterschaft[35] einerseits, Verbot der Abtreibung[36] und Scheidung[37] andererseits als "Zwangsmaßnahmen der patriarchalischen Gesellschaftsformen"[38] zu entlarven sucht. Frauen haben sich nach ihren Worten entschieden "vor der Falle der Mutterschaft und Heirat" zu hüten.[39] "Ich beklage die Sklaverei, die der Frau durch die Kinder aufgezwungen wird...Wie viele Feministen bin auch ich für die Abschaffung der Familie,"[40] sagt sie deutlich. Darüber hinaus sympathisiert Beauvoir mit künstlicher Befruchtung[41], lesbischer Liebe[42] und Euthanasie.[43] Heilmittel aus der Abhängigkeit des Mannes sei die Berufstätigkeit der Frau[44], womit endlich "eine vollkommene wirtschaftliche und soziale Gleichheit"[45] der Geschlechter erlangt werden könne.

Einige der heutigen Radikalfeministinnen weisen in konkreten Punkten weit über Simone de Beauvoir hinaus, doch alle gehen von den Grundsätzen ihrer französischen Kollegin aus. So wendet sich Betty Friedan, die Begründerin der amerikanischen Frauenbewegung der sechziger Jahre, in ihrem Welterfolg "The Feminin Mystique"[46] vehement dagegen, daß Frauen in Ehe, Familie und Haushalt lediglich der "Erfüllung ihrer Weiblichkeit"[47] verpflichtet seien und an ihrer geistigen Fortentwicklung gehindert würden.[48] Ähnlich greift die Amerikanerin Kate Millett in ihrem Buch "Sexual Politics"[49] deutlich auf "Le Deuxième Sexe" zurück: Die Frau sei zwar zu Empfängnis, Austragung und Geburt eines Kindes bislang noch unentbehrlich, sonst aber habe sie keine besondere Bindung oder Verpflichtung dem Kind gegenüber. Shulamith Firestone schließlich, die radikalste aus dieser Gruppe, zielt erklärterweise darauf, durch den Feminismus alle wichtigen Strukuren der Gesellschaft zu zerschlagen.[50] In "The Dialectic Sex" fordert sie die Befreiung der Frau von der "Tyrannei der Fortpflanzung"[51] durch jedes nur mögliche Mittel. "Ich will es ganz deutlich sagen: Die Schwangerschaft ist barbarisch."[52]

Im deutschen Feminismus ist die Journalistin Alice Schwarzer nach wie vor eine herausragende Gestalt. Nach einem längeren Parisaufenthalt organisierte sie Anfang der siebziger Jahre zunächst einmal die Kampagne gegen den Paragraphen 218[53], brachte 1975 einen Bestseller auf den Markt[54] und profilierte sich schließlich als Herausgeberin der ersten und bisher am meisten verbreiteten feministischen Zeitschrift "Emma". Die in ihren Texten zu findende Mischung aus flottem Jargon, menschlicher Problemdarstellung und Enttabuisierung gesellschaftlicher Normenvorstellungen ist gewiß nicht neu, wird aber jetzt, ausschließlich auf Frauen angewandt, zum Politikum.

Obwohl Alice Schwarzer ihre Bewunderung für Simone de Beauvoir, die sie in Paris persönlich kennenlernte, immer wieder herausstreicht[55], ist sie in der praktischen Anwendung der feministischen Ideen doch noch radikaler als ihr französisches Vorbild. Sie verbreitet zwar die Thesen von "Le Deuxième Sexe" und der amerikanischen Frauenbefreiungsbewegung; letztlich aber geht es ihr nicht um die Frage der theoretischen Gleichheit der Geschlechter, sondern darum, wie die Frau - wertvoller und liebenswerter als der Mann - von der unerträglichen männlichen Übermacht loskommen könne. Macht, meint Alice Schwarzer, bestimme allein das gegenwärtige Verhältnis von Männern und Frauen und könne nur durch Gegenmacht gebrochen werden.[56] Für sie ist der Mann der Feind, dem sie ein langes Sündenregister vorwirft. "Jeder Versuch einer Befreiung der Frau", fordert sie, "wird sich darum kollektiv und auch individuell direkt gegen männliche Privilegien richten müssen, das heißt, auch gegen den eigenen Mann."[57] Sie ruft die Frauen auf, ihre Macht zu dokumentieren und sich den Männern zu verweigern, - die "zum Dogma erhobene Heterosexualität"[58] zu verwerfen und sich der Bi- und Homosexualität zuzuwenden. Mit anderen Worten: Schwarzer faßt die Macht des Geschlechtlichen als politische Macht; im Zentrum der Beziehungen zwischen Mann und Frau will sie eine Revolution auslösen, aus der die vom männlichen Machtprinzip endlich befreite Frau hervorgehen soll. Diese Frau könne dann positiv auf die Gesellschaft zurückwirken.

Konsequenterweise wendet sich Alice Schwarzer gegen die "Ideologie vom eigenen Kind" und kämpft gegen alle bestehenden Mutter-Kind-Bande, die nur dazu beitrügen, die letzten Bastionen der Männergesellschaft zu schützen.[59] Die Erziehungsarbeit müsse weitgehend vom Kollektiv übernommen, die Hausarbeit müsse industrialisiert werden. Das heißt für sie:"ausreichend 24-Stunden-Krippen und -Kindergärten, die von Frauen und Männern betrieben werden."[60]

Die leidenschaftliche Verurteilung - mehr noch: die universelle Verfluchung - alles Männlichen scheint bei der amerikanischen Feministin Mary Daly einen kaum noch zu überbietenden Gipfel erreicht zu haben. Daly dokumentiert in einem ihrer Erfolgswerke, das 1978 erstmals erschien,[61] bis in alle abstoßenden Einzelheiten jede Art von Grausamkeit, die Männer von Anbeginn der Zeit an jemals Frauen zugefügt haben. Dabei stellt sie dem "verseuchenden", "vergiftenden", "verheerenden" Übel der Männerherrschaft die "elementare Reinheit" der Frauen plakativ gegenüber. Die Thesen von "Le Deuxième Sexe" werden so gesteigert, daß man sie beim besten Willen nicht mehr ernst nehmen kann.

Trotzdem zeigt die Emanzipation deutliche Wirkungen. Gab es beispielsweise 1979 noch vierzehn Millionen Kinder und vierzehn Millionen Autos in Deutschland, so zählte man 1991 nur noch neun Millionen Kinder, aber achtundzwanzig Millionen Autos.[62] Vielleicht signalisiert dies, was des Deutschen liebstes Kind geworden ist.

Nun ist allerdings der Versuch, sich von den "Ketten der Natur" zu lösen, seit einiger Zeit nicht mehr die einzige Spielart des radikalen Feminismus. Aus manchen Ökologiedebatten und vor allem aus der Szene des sog. "kulturellen" Feminismus Nordamerikas klingen auch ganz andere Töne. Während ein Teil der Feministinnen fundamentale Differenzen zwischen Frauen und Männern weiterhin vehement bestreitet, sind andere dazu übergegangen, die Unterschiede zu feiern. In der Tat gibt es eine immer stärker werdende Richtung im Feminismus, die in der Gleichsetzung der Frau mit Natur, Körper, Gefühl und Sinnlichkeit kein verdammenswertes männliches Vorurteil mehr sieht. Im Gegenteil wird alles Emotionale, Vitale und Sinnliche geradezu als Hoffnungsträger für eine bessere Zukunft begrüßt. Nachdem "männliche" Rationalität und Herrschsucht die Menschheit an den Rand des ökologischen Abgrunds und in die Gefahr der atomaren Vernichtung getrieben habe, sei nun die Zeit der Frau gekommen. Rettung lasse sich nur noch von dem Unlogischen und Gefühlsmäßigen, dem Sanften und Weichen erwarten, wie es sich in der Frau verkörpere.[63]

Nachdem der Kinderwunsch jahrzehntelang verdrängt und geleugnet worden ist, wird er nun, als rein "leibliches Bedürfnis"[64], in immer mehr feministischen Selbsterfahrungsgruppen wiederentdeckt.[65] Dies könnte eine Reaktion sein auf die Überanstrengungen durch eine Emanzipation, die zu sehr als Anpassung an männliche Werte und als Konkurrenzkampf begriffen worden ist.

Natürlich bedeutet der Kinderwunsch nicht ein zurück zur bürgerlichen Familie. Die Feministinnen interessieren sich weniger für die sozialen Realitäten der Mutterrolle als vielmehr für die Zusammenhänge zwischen dem Leben der Frauen, dem weiblichen Körper und den Erfahrungen von Gebären und Stillen. "Frauen müssen und werden die Erde befreien, weil sie in größerer Harmonie mit der Natur leben", so lautet die bekannteste These.[66] Dieser wird nun mit neuer Heftigkeit die Gleichheitstheorie Beauvoirscher Prägung entgegengesetzt.[67] So schließt sich der Kreis.

Man muß allerdings nüchtern feststellen, daß die Welt im Zeitalter des Feminismus weder humaner noch überlebensfähiger wurde, sondern mehr denn je durch Selbstauslöschung gekennzeichnet ist. Die rasante Zunahme psychischer und psychosomatischer Leiden, die schrankenlose Gewaltkriminalität und der steigende Suchtmittelmißbrauch sind Ausdruck einer immer größeren Halt- und Hilflosigkeit, über die weder ein herrisches Emanzipationsgebaren noch das Gerede von der "neuen Weiblichkeit" hinwegtäuschen können.

3. Patchwork-Familien

Wenn man feministische Manifeste liest, könnte man zu dem Schluß kommen: Der Radikalfeminismus zerstört die Familie. Das ist doch wohl sein erklärtes Ziel! Aber so einfach ist die Sache nicht. Auch diese Aussage muß noch weiter differenziert werden.

Blicken wir uns um, dann stellen wir fest, daß das Familienleben in unserer Gesellschaft durchaus "in" ist. Drei Viertel der Europäer zum Beispiel verbringen den Urlaub mit ihren Familien, oft mehrere Generationen zusammen, in verschiedensten Kombinationen. Auf Campingplätzen oder in Ferienwohnanlagen wird das besonders deutlich. Trotz aller Warnungen von Simone de Beauvoir und Alice Schwarzer, trotz der steigenden Lust, Karriere zu machen und reich zu werden, sehen wir überall, daß Paare eine Familie gründen und Kinder zur Welt bringen. Obwohl es angeblich leichter ist, allein zu bleiben, um sich zu verwirklichen, besteht die größere Mehrheit der Menschen auch heute darauf, eine Familie um sich zu scharen.

Selbst bekannte Autorinnen aus der Frauenszene wissen das Familienleben wieder zu preisen. Die Argentinierin Ester Vilar etwa hebt hervor, daß auch bei völliger Gleichbehandlung in vielen Familien die Frauen abends seltener ausgehen würden als die Männer. Doch das wäre gar nicht schlimm, meint sie: "Denn daß das Glück, in einer verrauchten Kneipe ein Glas Bier zu trinken, so viel größer ist als das, das man empfindet, wenn man in einem stillen Haus den Schlaf eines kleinen Kindes bewacht, müßte erst noch bewiesen werden."[68] Und Christiane Collange, eine der bekanntesten Feministinnen Frankreichs, ergänzt erstaunlicherweise: "Mir tun Frauen leid, die nicht wissen, wie beruhigend ein Nachmittag ist, an dem man im Haus herumpusselt und sein eigenes Kind genießt. Es gibt keine andere Gemeinschaft, die uns so viel Hoffnung und Lebensfreude schenkt wie die Familie."[69]

Die Frau darf sich nicht länger am Mann orientieren, fordert auch Barbara Sichtermann, eine Berliner Feministin. Denn auch das Modell der klassischen Emanzipationspolitik, so wird heute vielen klar, ist immer nur der Mann gewesen. Doch gleiche Rechte für beide Geschlechter sind ebenso unabdingbar wie ungenügend. "Die Position des Mannes in der Gesellschaft kann ... nur in Grenzen Modell sein für die des weiblichen Geschlechts, erstens weil die Männerwelt, so wie sie funktioniert oder nicht funktioniert, Wünsche offenläßt, zweitens weil die emanzipierten und gleichgestellten Frauen keine Quasi-Männer sind und sein wollen."[70]

Interessanterweise hebt Sichtermann die Bereitschaft, für andere dazusein, als eine Eigenart der Frau hervor. Es handle sich um "eine klassisch weibliche Tugend", sagt sie, deren Übertreibung natürlich vermieden werden muß, "deren Kern jedoch bewahrt gehört und ausgesät, damit diese Stärke auch da blühe, wo nicht nur Frauen wirtschaften."[71]

Sichtermann fordert, daß das "Sorgen für andere", auch und gerade wenn es unentgeltlich geschieht, wieder in seinem vollen Wert erfaßt werde: "Unsere Zivilisation hat es bekanntlich fertiggebracht, ein ethisches Klima zu erzeugen, in dem jeder, der etwas umsonst tut, als Trottel gilt. Es wäre trotzdem wohl falsch anzunehmen, daß der Respekt vor dem Opfer gänzlich ausgestorben ist. Er hat nur keine Sprache mehr...Das Ganze ist ein kulturelles und sozialpsychologisches Problem, das nur da gelöst werden kann, wo es entsteht: nicht auf dem Arbeitsmarkt und nicht in der Sphäre staatlichen Transfers, sondern in Bereichen sozialen Verhaltens, die sich der Marktlogik ebenso entziehen wie der Staatsraison."[72]

Einer dieser Bereiche, in dem das Dasein für andere, das Sorgen für die unmittelbaren Bedürfnisse in besonderer Weise zur Geltung kommt, ist sicherlich die Hausarbeit. Sichtermann betont nicht deren "einengende", "unterdrückende", "krankmachende" Wirkung, sondern faßt sie als Alternative zum geregelt-anstrengenden Berufsleben: Hier ist ein Raum zur freien Selbstgestaltung, hebt sie mit den traditionellen Verfechtern der Familie hervor; hier kann man einfach Mensch sein.[73] Schließlich sehnt sich jeder Mensch nach einem "nicht-ökonomisierten persönlichen Leben"[74], nach privater Geborgenheit. Dieser Wunsch kann zwar zeitweilig unterdrückt, aber nie abgetötet werden. Inzwischen haben die Frauen ohnehin genügend Erfahrungen außer Haus gemacht, um sich nüchtern eingestehen zu können, daß Berufsarbeit allein das Glück nicht bringt. "Hausfrauen...tun recht daran, wenn sie sich weigern, in die Fabrik zu gehen; zwar zahlen sie mit der Abhängigkeit vom Mann, aber ist die schlimmer als die Abhängigkeit vom Boß?"[75]

Es kann schon sein - sagt Sichtermann provozierend -, daß Frauen vom Lohn ihrer Männer abhängen. Andererseits jedoch sind Männer in einem viel tieferen Sinne abhängig von ihren Frauen, eben weil jeder Mensch ein Zuhause braucht, das zu schaffen jahrhundertelang als Aufgabe der Frau angesehen worden ist.[76] Dieses Zuhause zu schützen, müsse von feministischer Politik ebenso ernst genommen werden wie das "gleichermaßen starke Bedürfnis (beider Geschlechter)"[77] nach beruflicher Anerkennung.

So weit die Emanzipationsdebatten. Nicht nur "neue Mütterlichkeit", auch ein gemütliches Familienleben, Halt und Geborgenheit sind gefragt - zwar nicht überall, aber doch in weiten Kreisen. Nun ist uns wohl allen klar, daß diese von der Frauenbefreiung ersehnte und gerühmte Familie kaum etwas mit der Tradition und noch viel weniger mit dem Christentum zu tun hat. Sie wird öfter als "Patchwork-", als "Flicken-Familie" bezeichnet: Das Bild von der aus verschiedensten Stoffstücken genähten Bettüberdecke kennzeichnet wohl am treffendsten diese neuen Lebensgemeinschaften, in denen Eltern und Kinder aus früher bestehenden Familien und auch andere Menschen zusammenkommen. Wenn es "nicht mehr klappt", geht man wieder auseinander, nimmt evtl. einen Teil der Kinder mit und versucht mit einem neuen Partner ein neues "Patchwork". Die Flicken lassen sich beliebig trennen und in einem anderen Muster wieder zusammensetzen.

Ich versuche hier, objektiv von etwas zu sprechen, das mit sehr viel menschlichem Leid verbunden ist und daher eine oberflächliche Behandlung einfach nicht verträgt. Jeder von uns kennt zahlreiche solcher soeben beschriebener Lebensschicksale. Jeder weiß, wieviel (unausgesprochene) Not, wieviele seelische Verwundungen sich oft dahinter verbergen. Wer kann schon den Vater oder die Mutter seiner Kinder nach Jahren des Zusammenlebens verlassen, ohne einen Bruch im Lebensweg, ohne ein Scheitern, ohne Zweifel und vielleicht auch Gewissensbisse zu erfahren? Daß besonders die Kinder die Leidtragenden sind, ist inzwischen hinreichend bekannt. Man muß sich nur vorstellen, in welchen gefühlsmäßigen Konflikten sie ständig sind, wenn sie zwischen ihren "natürlichen" und "erwählten" Eltern zu entscheiden haben. Kürzlich erzählte mir eine Bekannte: "Mein Sohn lebt nun bereits mit seiner dritten Frau zusammen; bisher haben alle Beziehungen nur einige Jahre gedauert. Von seiner ersten Frau hat er eine kleine Tochter. Die zweite Frau brachte zwei Kinder mit in die Ehe, für die er wie ein Vater sorgte. Ich hatte manchmal sogar das Gefühl, daß er sie lieber hatte als seine eigene Tochter. Meine beiden Stiefenkel und ich waren sehr traurig, als ihre Mutter und mein Sohn sich trennten. Er hat inzwischen ein Baby von seiner jetzigen Freundin; sie wollen bald heiraten. Das bedeutet, daß ich bald drei Schwiegertöchter habe und nur einen Sohn!"

Es geht nicht darum, hier zu urteilen. Dazu hat niemand ein Recht. Als Außenstehender kann man außerdem sehr hart und hochmütig sein. Wir wollen uns nur nach dem Grund für den Wertewandel fragen, der sich in den letzten Jahrzehnten mit rasanter Geschwindigkeit in unserer Gesellschaft vollzogen hat. Könnte man nicht tatsächlich sagen, daß besonders der Radikalfeminismus entschieden dazu beigetragen hat, die traditionelle, bürgerliche Familie zu zerstören? Diese Behauptung würde ich bejahen. Der Radikalfeminismus hat dieses sein erklärtes Ziel in weiten Kreisen erreicht, indem er einerseits den Klassenkampf auf die Beziehungen zwischen Mann und Frau übertrug, und indem er andererseits einen neuen, sog. "offenen" Familienbegriff schuf und den "alten" als lächerlich abstempelte. In einem Gesetz von Finnland wird die Familie definiert "als eine Gruppe von Personen, die sich aus demselben Kühlschrank bedienen."[78] Die Verachtung gegenüber allen alten Formen wird in einem Plädoyer von Christiane Collange sehr deutlich: "Und die Familie?" fragt die französische Feministin. "Die schöne, vereinte Familie, ohne Scheidungen und Trennungen, mit der man uns ständig in den Ohren liegt, damit wir uns unseres zusammenhanglosen Lebens schämen? Wieviel Frustration und Scheitern versteckte sich unter dem anständigen Äußeren? Wieviel Lüge und Verrat wurden im Namen der Unauflöslichkeit der Ehe geübt? Ich trauere der Zeit der strengen, aber gerechten Väter wahrlich nicht nach, auch nicht jener der heiligen Frauen mit dem traurigen Blick. Ich mag unsere Väter lieber, die nicht so sehr Glucke sind, wie man glaubt, aber auch nicht so sehr Gockel wie damals; und ich mag auch unsere Super-Mütter, die zwar immer ein wenig gestreßt sind, sich in ihrer Haut aber wohl fühlen. Ich mag lieber die Jeans vom Ausgang des Jahrhunderts als die Spitzenkragen seines Beginns."[79] (Ich übrigens auch, und viele von Ihnen wohl ebenfalls!)

Es wird deutlich, daß es nicht darum gehen kann, zur sogenannten bürgerlichen Familie zurückzukehren. Das wäre zu wenig und der Unruhe unserer Zeit sicher nicht angemessen. Es kann nicht unser Ziel sein, ein gutbürgerliches Ehe- und Familienideal aufzupolieren. Mit Spießigkeit sollten wir den aktuellen Herausforderungen wirklich nicht begegnen. Wir müssen vielmehr zeigen, daß es wesentlich attraktiver ist, wenn Mann und Frau sich lieben und füreinander dasind - als wenn sie sich bekämpfen und einer über den anderen zu triumphieren strebt. Und wir müssen obendrein bezeugen, daß die Ehe als unauflösliche Lebensgemeinschaft der beste Garant für das Glück einer Familie ist. Ich denke, daß hier die Christen besonders gefragt sind. Nicht weil sie besser seien als andere Menschen, sondern weil sie in ihrem Glauben allen Halt und alle Hilfe finden, die man braucht, um die Bedrängnisse unserer Zeit zu bestehen.

Im folgenden möchte ich skizzenhaft umreißen, welche Antworten ein christlich orientierter Feminismus auf die geschilderten Situationen finden könnte.

4. Ausblick: Christlicher Feminismus

Zunächst eine Vorbemerkung: Jedem Christen - ob Mann oder Frau - wird heute noch viel klarer sein als in früheren Zeiten, daß man seinen Glauben nicht in Anlehnung an all das leben kann, was uns umgibt, was uns beansprucht und umwirbt. In dem Spannungsfeld von Werten, Scheinwerten und Gegenwerten, in dem wir leben, ist es leicht, die Orientierung zu verlieren. Wir brauchen daher eine reflexive Distanz, um eine tiefere Dimension des Lebens aufzudecken, und wir brauchen den Mut, dem Zeitgeist zu widersprechen. Christen sind zu allen Zeiten Widerstandskämpfer gewesen, die auch dann nicht aufgaben, wenn sie sich vorübergehend einmal auf scheinbar verlorenem Posten befanden. Doch trotz aller anderslautender Meldungen ist die christliche Botschaft auch heute das, was dem Menschen wirkliche Befreiung bringt.

Ich denke, gerade wenn man christlich motiviert ist, kann man sich für eine sinnvolle Förderung der Frauen einsetzen. Denn "Emanzipation" im Sinne von Freiheit, Selbständigkeit und geistiger Reife wird gerade im Glauben an Christus erreicht. Christus bringt Befreiung von Vorurteilen und Klischees, von hemmenden Traditionen und zu eng gewordenen Lebensformen. Vor allem aber befreit er von Sünde und Schuld, die im Grunde viel mehr an uns nagen und uns viel tiefer zerstören können als äußere Begebenheiten. Alle Lasten, die uns innerlich quälen und bedrängen, die uns zermürben und mutlos machen, dürfen wir im Sakrament der Buße einfach von uns werfen. Hier erfahren wir, daß wir auch in unserer Schwachheit, mit allen persönlichen Grenzen und Fehlern angenommen und geliebt werden. Hier bekommen wir immer wieder Kraft zu einem Neuanfang und die Gnade, uns den Schwierigkeiten kühn zu stellen.

4.1. Selbstannahme

Ein Mensch, der sich von seinem Vater Gott vorbehaltlos angenommen weiß, kann sich auch selbst annehmen. Vielleicht ist die mangelnde Selbstannahme das Grundproblem des Feminismus - übrigens auch in seiner Spielart der "neuen Mütterlichkeit". Denn wenn ich mich selbst annehme, dann muß ich auch akzeptieren, daß ich Grenzen und Schwächen habe und Fehler begehe - und nicht alles Heil der Welt von mir kommen kann. Was die Gleichheitsideologie betrifft, so ist die Sache noch eindeutiger. Das So-Sein-Wollen-wie-der-Mann führt bei zahlreichen Frauen zum Krampf und zu Frustrationen, bisweilen sogar in die psychische Krankheit hinein. Denn offensichtlich kann nur derjenige ein ausgeglichener Mensch sein, der im Frieden mit dem eigenen Körper lebt.

Für Christen ist es normalerweise nicht schwer, sich auch in ihrer Leiblichkeit zu bejahen, denn für sie gibt es keinen Zufall und kein blindes Schicksal, sondern nur weise (wenn auch nicht immer faßbare) Fügung des guten Gottes. Dieser hat am Tag der Schöpfung seinen Willen zum Mann und zur Frau bekundet. Er hat die menschliche Natur (in beiden Ausprägungen) auf wunderbare Weise entworfen und beiden Geschlechtern eine Fülle von Vorzügen gegeben. Wer dies annimmt, kann gelassen sein, und er begreift, daß eine Rebellion gegen die eigene Natur eine Rebellion gegen den Schöpfer ist.

Es kann bei der "Selbstbefreiung" der Frau nicht um ein billiges Angleichen an den Mann gehen. Etwas viel Teureres, Lohnenderes, aber auch Schwierigeres muß angestrebt werden: die Selbstannahme der Frau in ihrem Anderssein, in ihrem Einmaligsein als Frau. "Ziel der Emanzipation ist es, sich der Manipulation zu entziehen, nicht Produkt zu werden, sondern Original zu sein", erläutert Franz Kamphaus. Und er fährt fort: "Es hilft wenig, Emanzipation nach dem Vorbild der Bekannten X, dem Magazin Y, dem Denver-Biest zu spielen; oder sich eine Second-hand-Identität aus feministischen Büchern anzulesen, ohne Bereitschaft zur eigenen Auseinandersetzung; oder die eigene Schwäche als Unterdrückung auszulegen. Gerade im Widerstand gegen solche Trends bewährt sich die eigene Freiheit."[80] Wahre Förderung der Frau befreit nicht "von" den Eigenarten, sondern "zu ihnen hin".

Was nun bedeutet es, "Mann" oder "Frau" zu sein? Worin unterscheiden sich die Geschlechter? Zu dieser Frage ist im Laufe der Menschheitsgeschichte tatsächlich nicht nur Kluges und Aufbauendes gesagt worden. Gegenwärtig ist es üblich, den Mann durch oberflächliche Pauschalurteile zu verspotten; andere Male (wohl sehr viel öfter) ist die Frau in Klischees eingeengt, in Theorie und Praxis gedemütigt worden. Doch jedes Geschlecht hat die ihm eigenen Vorzüge; jedes ist dem anderen auch in seinem Bereich überlegen. Mann und Frau unterscheiden sich natürlich nicht nach dem Rang ihrer intellektuellen oder moralischen Qualitäten, wohl aber in einer weitaus grundsätzlicheren, mehr "ontologischen" Hinsicht: nämlich in der Möglichkeit, Vater oder Mutter zu sein, und in den sich daraus ergebenden spezifischen Fähigkeiten. Eigentlich ist es erstaunlich, daß diese an sich doch so selbstverständliche Tatsache so viel Verwirrung gestiftet hat.

4.2. Mutterschaft als Geschenk

Als Mutter ist die Frau berufen, "Ort" eines göttlichen Schöpfungsaktes zu sein. Denn die Eltern wirken auf unbegreifliche Weise mit Gott zusammen, wenn ein neuer Mensch entsteht. Dieser wird noch vor dem Mann der Frau anvertraut, damit sie ihn (zunächst in sich) aufnehme, berge und ernähre. Zwar ist die Schwangerschaft nicht selten von Anstrengung und Erschöpfung gekennzeichnet - doch bedeutet es nicht eine besondere Auszeichnung für die Frau, Gottes schöpferische Liebe bis in die eigene Leiblichkeit hinein spüren zu dürfen? Daß die Frau als Mutter herabgesetzt oder benachteiligt sei, kann wohl nur aus einer sehr oberflächlichen Perspektive heraus behauptet werden, die den Sinn für das Wesentliche verloren hat. Aus christlicher Sicht gilt im Gegenteil, daß der Frau in ihrer Mutterschaft ein ganz besonderer "Vorrang vor dem Mann" zukommt, wie Papst Johannes Paul II. feinfühlig formuliert.[81]

Damit soll die Mutter keineswegs "ans Haus gefesselt", zu "Sklavenarbeiten verurteilt" werden, auch wenn dies aus feministischen Kreisen längst als bewiesen erscheint. Zwar erfahren nicht wenige Frauen die Geburt eines Kindes als Belastung, was teils an dem Unverständnis der Mitmenschen, teils auch an ungerechten Sozialstrukturen liegen mag. Doch das sind Folgen der Sünde, nicht notwendige Begleitumstände der Mutterschaft. Ihretwegen darf also nicht einem neuen Menschen das Leben verweigert, sie selbst müssen abgeschafft werden! Dies stellt in allen Gesellschaften gerade für Christen eine der dringendsten Herausforderungen dar.

Wenn eine Frau einwilligt, Mutter zu sein, dann kann sie die Nachfolge Christi in einer wahrscheinlich nicht spektakulären, wohl aber umso innigeren Weise verwirklichen. Sie kann von der "Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes"[82] Zeugnis geben, ein Zuhause schaffen, Geborgenheit schenken, kulturelle und religiöse Werte vermitteln. Dabei wird sie erfahren, daß Christus nur am Kreuz zu finden ist. Doch sie wird auch erkennen, daß sie von ihrem Platz aus gerufen ist, an der Ausbreitung des Reiches Gottes aktiv mitzuarbeiten. So ist es gar nicht wünschenswert, daß sie in den eigenen vier Wänden "eingesperrt" lebt. Je nach persönlicher Belastbarkeit und familiärer Situation kann sie es sogar als ihre Pflicht betrachten, auch andere Formen des (beruflichen, ehrenamtlichen oder persönlichen) Engagements in der Gesellschaft zu suchen und ihr Haus für viele Menschen zu öffnen. Daß das Wohl der Familie stets das erste Anliegen guter Eltern bleiben wird, steht dabei außer Debatte.

Doch die Mutterschaft ist nicht auf den physischen Bereich zu reduzieren. In seelisch-geistiger Hinsicht sind alle Frauen berufen, auf irgendeine Weise "Mutter" zu sein. Was heißt das denn anderes, als die Anonymität zu durchbrechen, den Mitmenschen ein offenes Ohr zu schenken, ihre Anliegen mitzutragen - und sie für die Gnade Gottes empfänglich zu machen? Christliche Denker haben immer wieder auf die "geistige Mutterschaft" hingewiesen, die allerdings kaum etwas mit dem "Sanften", "Behutsamen" und "Zarten" zu tun hat, das in einem Teil des extremen Feminismus gepriesen wird. Die geistige Mutterschaft setzt sich klar von jener biologisch-materialistischen Sicht ab. Sie bezeichnet eine besondere Liebesfähigkeit der Frau, eine besondere Begabung, in der Masse den einzelnen zu erblicken und zu fördern. Die Frau hat besonderen Sinn dafür, das konkrete Leben zur Entfaltung zu bringen.[83] Gott hat ihr, wie Johannes Paul II. es ausdrückt, "in einer besonderen Weise den Menschen anvertraut."[84] Doch nicht nur das Herz, auch der Verstand ist hier angesprochen, natürliche Veranlagung und Erziehung sind gefordert, die geistbegabte Frau ist gemeint, nicht jene Karikatur, die im Grunde nur um die eigenen leiblichen Bedürfnisse kreist.

Einer unverbildeten Frau fällt es normalerweise nicht schwer, sich den anderen zuzuwenden. Ihr Blick für das Konkrete, ihr Realitätssinn und ihr Gespür für die seelischen Bedürfnisse der anderen können ihr sehr dienlich sein. Sie hat Talente zur Solidarität und Freundschaft, auch zu einer ganz individuellen Weitergabe des Glaubens, von ihrem Schöpfer bekommen. Warum sollte sie diese verleugnen, statt sie dankbar einzusetzen und das Leben freundlicher und gottgefälliger zu gestalten? "Wenn jemand bemerkt, daß ihn an seiner Arbeitsstelle - da, wo jeder in Gefahr ist, ein Stück Maschine zu werden - Teilnahme und sogar Hilfsbereitschaft erwarten, dann wird in seinem Herzen manches lebendig erhalten oder geweckt werden können, was sonst verkümmern würde,"[85] gibt Edith Stein zu bedenken.

Hier wird deutlich, wie wohltuend ein Christ mitten in der Welt zu wirken vermag. Ist es nicht eine lohnende Aufgabe, eine Umgebung zu schaffen, in der man sich wohlfühlen kann? Die Frau hat (gerade als Christin) den überaus entscheidenden Auftrag, von der Liebe Gottes zu dem einzelnen Menschen Zeugnis zu geben. Sie ist aufgefordert, den anderen das Bewußtsein zu vermitteln, daß sie (auch von Gott) an- und ernstgenommen werden, und daß ihr Leben wertvoll ist.

4.3. Ehe als göttliche Berufung

Mit dem Licht des Glaubens erkennt man nicht nur sich selbst und die eigenen Möglichkeiten zur Mutter- oder Vaterschaft. Man sieht auch die Ehe aus einer tieferen Perspektive - und zwar so, wie Gott sie ursprünglich gemeint hat: Sie ist Gemeinschaft des Lebens und der Liebe zwischen einem Mann und einer Frau. Und im Neuen Bund ist sie noch mehr: Sakrament der Gnade, göttliche Berufung - also ein konkreter Weg, die Nachfolge Christi zu leben.

Mann und Frau ergänzen sich und haben sich einander viel zu geben. Geistig und intellektuell betrachtet kann ein Mann einen anderen Mann wohl nie in dem Maß ergänzen, wie es eine Frau kann; umgekehrt gilt natürlich das gleiche. Die gegenseitige "Hilfe" aber wird letztlich nur dann wirklich fruchtbringend sein, wenn sowohl der Mann als auch die Frau mit Gott vereint sind. In dem Augenblick, als Adam und Eva gemeinsam die verbotene Frucht aßen, glaubten sie subjektiv, einander ganz besonders nah zu sein: Sie aßen ja dieselbe Frucht von demselben Baum. Tatsächlich aber gruben sie einen Abgrund zwischen sich, denn eine gemeinsam begangene Sünde stellt die vielleicht größte Kluft dar, die zwischen Menschen existieren kann. "Wenn Liebende, die miteinander sündigen, sich bewußt wären, daß sie dadurch einen echten Bruch in ihrer Liebe bewirken, dann würden sie vor ihrer Sünde erschrecken," bemerkt Alice von Hildebrand. "Wahre Liebe und wahre Gemeinschaft können nur bestehen, wenn Gott gegenwärtig ist."[86] In säkularisierten Gesellschaften ist es demnach fast "vorprogrammiert", daß es zu unfruchtbaren Spannungen zwischen den Geschlechtern kommt.

Die große Schriftstellerin Ida Friederike Görres sagte vor Jahren: "Lange schon geht mir auf, daß die Ehe gegenwärtig im Begriff ist, aus ihrem Alten Testament in ihr Neues überzugehen - d.h. aus der puren oder doch überwiegend rechtlichen, soziologischen, wirtschaftlichen, moralischen Institution in den Bereich der spirituellen Entscheidung. Vielleicht ist es darum nicht nur ein schlechtes Zeichen, daß heute ein solcher Haufen Ehen zerbricht? Vielleicht bedeutet das u.a. auch, daß sehr viele Menschen die Ehe in den heute üblichen, den korrupten Formen nicht mehr zu ertragen, nicht mehr zu leben vermögen."[87]

Christliche Paare sind nun aufgerufen, Zeugnis von der Attraktivität ehelicher Liebe und Treue zu geben. Sie sind herausgefordert, auch in Zeiten von Krisen und Unverständnis aneinander festzuhalten. Jede Ehe (auch jede christlich geschlossene) hat selbstverständlich harte Zeiten durchzustehen. Man erfährt die Banalität des Alltags, Unzufriedenheit und Unerfülltheit im Beruf; man sieht, daß Pläne sich zerschlagen, daß die Kinder ganz anders werden, als man gewünscht hat. Und mit den Jahren wächst nicht selten das Bewußtsein, einander manches schuldig geblieben zu sein.

Je mehr das klassische Frauenbild in Frage gestellt wird, desto mehr sammelt sich daheim auch Zündstoff für Konflikte. (Wer muß spülen? Wer putzen? Wer einkaufen?) So notwendig es ist, sich über die häuslichen Kompetenzen Gedanken zu machen, so sinnlos ist es auch, ständig darüber zu streiten. Ich denke, wichtiger als die konkreten Arbeiten ist für jeden Mann und für jede Frau eine positive Einstellung zur Familie, eine aufrichtige Liebe zueinander und zu den Kindern, die sich individuell auf unterschiedlichste Weise zeigt, immer aber in der Bereitschaft, auf irgendeine Art die häuslichen Sorgen gemeinsam zu tragen. Es ist eine Sackgasse, wenn man meint, Mann und Frau, Eltern und Kinder müßten sich voneinander "emanzipieren". Wünschenswert wäre es, wenn alle zusammen die Schönheit des Füreinander-Daseins wieder neu entdeckten, in freier und gegenseitiger Hinordnung aus Liebe. Dann denkt man gar nicht an die Beeinträchtigung der eigenen Rechte, und dann verlangt man nichts von den anderen, was man ihnen nicht selber gerne schenkt.

Sind Mann und Frau bereit, für ihre Ehe und Familie Opfer zu bringen, so ist ihre Liebe zur Reife gelangt. Im Einzelfall kann diese reife Liebe ganz verschiedene - sogar gegensätzliche - Situationen begründen. Für eine Frau bedeutet es zum Beispiel ein Opfer, zu Hause bei den Kindern zu bleiben; für eine andere kann es heroisch sein, Beruf und häusliche Pflichten um der Familie willen miteinander zu vereinbaren. So wenig es Patentrezepte für die individuelle Gestaltung des Familienalltags gibt, so wenig ist es auch angebracht, als Außenstehender über konkrete Situationen zu urteilen. Die Belastbarkeiten sind sehr verschieden. Was für eine Frau (oder einen Mann) eine Unterforderung ist, bedeutet für andere eine Überforderung. Auch die Bedürfnisse der Kinder sind kaum vergleichbar: Ein einziges kann mehr elterliche Energien beanspruchen als mehrere andere.

Die Ehe, sagt Ida Friederike Görres, ist heute "nicht mehr zuerst Heim und Hafen", sondern sie wird, wenn man sie in spiritueller Tiefe lebt und erlebt, zum mystischen Abenteuer. Denn, so fährt die bekannte Schriftstellerin fort, sie bedeutet die Übersetzung des großen christlichen Liebesgebotes 'aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele, aus deinem ganzen Gemüt und aus allen deinen Kräften' "ins menschliche Format".[88]

4.4. Streben nach Heiligkeit

Selbstverwirklichung, so müssen wir abschließend feststellen, ist immer auch Selbstbescheidung: auf das für jeden Menschen Mögliche und Machbare, - für einen Christen mehr noch: auf das, was er in seinen konkreten Lebensumständen als den göttlichen Willen entdeckt.

Hier berühren wir die tiefste Dimension der Selbstentfaltung. Wenn Mann und Frau fähig werden, den Widerstand gegen die Hingabe zu überwinden, der sich durch alle gesellschaftlichen Bereiche zieht, wenn sie bereit werden, sich der Liebe Gottes neu zu überlassen, dann werden sie wahrhaft frei. Und diese Freiheit ist die Frucht davon, daß sie von sich selbst gelöst, "erlöst" sind.

Die französische Philosophin Simone Weil (1909-1943) spürte das Unglück des modernen Menschen. Obwohl sie sich formal nie zum Glauben bekannte, urteilte sie doch nach christlichen Wertmaßstäben, als sie einmal die westlichen Gesellschaften analysierte und ein überraschendes Heilmittel nannte - persönliche Gottverbundenheit: "Es ist jene Heiligkeit vonnöten, die das Heute braucht, eine neue Heiligkeit, eine, wie es noch keine gab. Das ist, heute wenigstens, eine erlaubte Bitte, weil es eine notwendige Bitte ist. Ich glaube, das ist...die erste Bitte, die man jetzt aussprechen muß, an jedem Tag, zu jeder Stunde aussprechen muß, wie ein hungriges Kind immer wieder um Brot bettelt. Die Welt braucht Heilige mit Genie, wie eine Stadt, in der die Pest wütet, Ärzte braucht. Wo die Not ist, da ist auch die Pflicht."[89]

Verheißungen und Forderungen des Christentums betreffen beide Geschlechter gleichermaßen. Doch, ließe sich fragen, was könnte es für die heutige Frau konkret bedeuten, aus dem Glauben zu leben? Vor allem wohl, daß sie in einem tiefen Gebetsleben ihre Stütze findet für alle An- und nur zu oft auch Überforderungen von Familie und Beruf. Und dann vielleicht, daß sie den Sinn des Opfers, der nicht anerkannten Mühen, der stillen, scheinbar so glanzlosen Arbeiten wieder entdeckt und auch dem Mann neu zu erschließen weiß - nicht als "Ideologie" verflossener Zeiten, sondern als eine Forderung lebendigen Christseins, die für beide Geschlechter auch heute, bei den veränderten Lebenserfahrungen des modernen Menschen, gültig ist. Bei allen Streiks und Forderungen, Demonstrationen und Diskussionen vergessen die Christen allzu leicht, daß Christus nicht im Kampf gegen das Kreuz, sondern daß er am Kreuz siegte, daß er überhaupt erst jenseits des Todes und des Grabes triumphierte. Das heißt nicht, daß man sich nicht für Frieden und Gerechtigkeit entschieden engagieren soll, wohl aber, daß das Leben auch im unüberwindbaren Leid nicht aufhört, sinnvoll zu sein. Wer glaubt, schöpft immer neue Hoffnung, denn "wer kann den überwinden, dessen Sieg die Niederlage voraussetzt?"[90]

Gestatten Sie mir ein Schlußwort: Letztlich ist die Frage nach dem Leitbild der Frau sicher nicht mit abstrakten Begriffsbestimmungen zu lösen. Es genügt ein liebender und lernwilliger Blick auf die "Frau" der Hl.Schrift, auf Maria. Wenn das Leben zeigt, bis zu welchen Abgründen des Lasters und der Verworfenheit die Frau manchmal herabsteigen kann, zeigt Maria, bis wohin sie in Christus und durch ihn emporzusteigen vermag. Die Mutter Christi war bei all ihrer Auserwähltheit doch ein Mensch, der kämpfen und leiden mußte wie wir; sie hat Armut und Schmerz, Mißachtung und Verbannung selbst durchgestanden.

Wenn wir von Maria lernen, den Glauben auch heute in seiner ganzen Dimension zu leben, könnte unsere Gesellschaft sich sehr verändern. Viele Probleme würden leichter gelöst, andere miteinander getragen. Wie die Sünde das Band zwischen den Geschlechtern zerschnitten hat, so vermag die Gnade, eine neue Harmonie zwischen ihnen zu schaffen. Ihre Beziehung wird daher umso schöner sein, je größer ihre Gottesnähe ist. Als Christen wollen Mann und Frau nicht unabhängig, aber selbständig sein; sie können sich gegenseitig anerkennen und Freude aneinander haben. Und schließlich vermögen beide gleichberechtigt zusammenzuleben, in gemeinsamer Verantwortung für die Zukunft unserer Welt.

Je christlicher diese Welt ist, desto menschlicher wird sie auch sein, und desto mehr wird man in ihr auf die Würde und Freiheit jedes einzelnen Menschen achten.


Jutta Burggraf


[1] Vgl. Die Braut II. Zur Rolle der Frau im Kulturvergleich, hrsg. von Gisela Völger und Karin v. Welck, Köln 1985, S.536-545.
[2] Vgl. Die Braut I. Zur Rolle der Frau im Kulturvergleich, hrsg. von Gisela Völger und Karin v. Welck, Köln 1985, S.224-231.
[3] Vgl. Ennen, E.: Frauen im Mittelalter, 4.Aufl. München 1991.
[4] Vgl.Bieber,K.: Simone de Beauvoir, Boston 1979, S.80.
[5] Vgl. Wagner, C.: Simone de Beauvoirs Weg zum Feminismus, Rheinfelden 1984, S.1 und 89.
[6] Beauvoir, S.d.: Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau, Hamburg 1951, S. 21.
[7] Beauvoir 1951, S. 49.
[8] Sartre, J-P.: Ist der Existentialismus ein Humanismus? Zürich 1947, S. 14.
[9] Sartre, 1947, S. 14: "Der Mensch ist nichts anderes, als wozu er sich macht."
[10] Bekenntnis zum Atheismus, vgl. Beauvoir, S.d.: Die Zeremonie des Abschieds und Gespräche mit Jean-Paul Sartre August-September 1974, Reinbek 1983, S. 565 ff.
[11] Vgl. die zusammenfassende Darstellung von Zehl Romero, C.: Simone de Beauvoir in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1978, S. 120-127.
[12] Beauvoir 1951, S. 49.
[13] Beauvoir 1951 , S. 21.
[14] Vgl. Beauvoir 1951, S. 73.
[15] Vgl. Beauvoir 1951, S. 75.
[16] Beauvoir 1951, S. 684.
17 Beauvoir 1951, S.455.
[18] Beauvoir 1951, S. 71.
[19] Beauvoir 1951, S. 719.
[20] Beauvoir 1951, S. 165f.
[21] Vgl. Beauvoir 1951, S. 258.
[22] Beauvoir 1951, S. 285.
[23] Beauvoir, S.d.: Alles in allem, Reinbek 1974, S. 455.
[24] Beauvoir 1951, S. 722.
[25] Beauvoir 1951, S. 724.
[26] Vgl. Beauvoir, S.d.: Über den Kampf für die Befreiung der Frau, Interview von Alice Schwarzer, Kursbuch 35 (1974), S.62.
[27] Beauvoir 1951, S. 461.
[28] Vgl. Beauvoir 1951, S.721.
[29] Vgl. Beauvoir 1951, S. 715.
[30] Beauvoir 1951, S. 718.
[31] Beauvoir 1951, S. 715.
[32] Vgl.Beauvoir 1951, S. 502 und 717.
[33] Eine zusammenfassende Darstellung dieser Ethik, auch "neue Moral" genannt, findet sich bei Lüthi, K.: Gottes neue Eva, Stuttgart-Berlin, 1978, S. 67-126. Vgl. dazu auch die Feministin Elisabeth Badinter: "Aus dem Widerspruch zwischen den weiblichen Wünschen und den herrschenden Wertvorstellungen können nur neue Verhaltensweisen hervorgehen, die die Gesellschaft vielleicht stärker umwälzen werden als jeder zu erwartende wirtschaftliche Wandel." Die Mutterliebe. Geschichte eines Gefühls vom 17. Jahrhundert bis heute, München 1981, S. 267.
[34] Vgl. z.B: Beauvoir 1951, S. 209; Ehe ist für Beauvoir "Zwang" (S. 500), "Fessel" (Vgl. S. 697), sie fordert ihren Ersatz durch freie Lebensformen (Vgl. S. 721).
[35] Vgl. z.B. Beauvoir 1951.S. 689: "Und sie mag noch so vorsichtig sein, so ist sie doch niemals völlig sicher vor dem drohenden Kind."
[36] Vgl. z.B. Beauvoir 1951, S. 504: "Es gibt nichts Absurderes als die Gründe, die gegen die Legalisierung der Abtreibung herangezogen werden." Auch S. 697; Beauvoir 1974, S. 450.
[37] Vgl. z.B. Beauvoir 1951, S. 70.
[38] Beauvoir 1951, S. 70.
[39] Beauvoir, S.d. Interview von Alice Schwarzer, in: Der Spiegel 15 (1976), S. 195; vgl. auch Beauvoir 1974, S. 463
[40] Beauvoir 1974, S. 463.
[41] Vgl. Beauvoir 1951, S. 697.
[42] Vgl.Beauvoir 1951, S. 409 ff.
[43] Vgl. Beauvoir, S:d.: Ein sanfter Tod, Hamburg 1965, S. 63 f.; Das Alter, Reinbek 1972, S. 383; Alles in allem, Reinbek 1974, S. 105.
[44] Noch Jahre später besteht Simone de Beauvoir darauf, daß die Befreiung der Frau mit der ökonomischen Emanzipation beginne. Vgl. Simone de Beauvoir: Über den Kampf für die Befreiung der Frau, Interview von Alice Schwarzer, Kursbuch 35 (1974), S. 65-66.
[45] Beauvoir 1951, S. 679 und 1974, S. 462. Während Beauvoir zunächst in der Nachahmung des Mannes das Heil der Frau erblickt (Vgl. Beauvoir 1951, S. 716), werden die männlichen Werte später immer kritischer von ihr betrachtet und schließlich zurückgewiesen. Gegen Ende ihres Lebens spricht sie sogar von "weiblicher" Identität, "obwohl inhaltlich nicht klar wird, wie ... (diese) aussehen soll." Wagner 1984, S.202; Beauvoirs Emanzipationskonzept scheint eine Entwicklung in Richtung Androgynität aufzuweisen: vgl. Interview mit Simone de Beauvoir, in: Wagner 1984, S. 214: "mais le but n'est pas de ressembler aux hommes tels qu'ils sont, c'est plutot de creer un monde où hommes et femmes seraient fraternels et en partagant les qualités des deux sexes."
[46] Friedan, B.: The Feminin Mystique, 1963; deutsch Der Weiblichkeitswahn, Hamburg 1966.
[47] Friedan 1966, S.33.
[48] Friedan 1966. S.52.
[49] Millett, K.: Sexual Politics, 1969; deutsch Sexus und Herrschaft. Die Tyrannei des Mannes in unserer Gesellschaft, München 1971.
[50] Vgl. Firestone, S.: The Dialectic Sex, 1970; deutsch Frauenbefreiung und sexuelle Revolution, Frankfurt a.M. 1976, S.41.
[51] Firestone 1976, S.191.
[52] ebd., S.191.
[53] Vgl. Schwarzer,A.: Frauen gegen den § 218, 2.Aufl., Frankfurt a.M.1971.
[54] Schwarzer,A.: Der kleine Unterschied und seine großen Folgen, Frankfurt a.M. 1975.
[55] Vgl. Schwarzer,A.(Hrsg.): Simone de Beauvoir heute, Reinbek, 1983, S.9; 14; 96.
[56] Vgl. Schwarzer 1975, S.206 f.
[57] ebd., S.208 f.
[58] ebd., S.200.
[59] Vgl. Emma, Sept.1978.
[60] Schwarzer,A. (Hrsg.): Frauenarbeit-Frauenbefreiung, Frankfurt a.M. 1973, S.27.
[61] Vgl. Daly, M.: Gyn/Ecology, deutsch Gyn/Ökologie, München 1982.
[62] Vgl. Massow, M.: Nach dem Feminismus, Düsseldorf 1991, S.154.
[63] Vgl. hierzu Garaudy, R.: Der letzte Ausweg. Feminisierung der Gesellschaft.
[64] Sichtermann, B.: Weiblichkeit. Zur Politik des Privaten, Berlin 1983, S.27, vgl. auch S.32.
[65] Daß in der Einstellung zur Mutterschaft die feministislche Bewegung gespalten ist, zeigt sich auch in einem Gespräch Simone de Beauvoirs mit Betty Friedan. Letztere sagt: "Now, here I think we do disagree. I think that maternity is more than a myth, although there has been a kind of false sanctity attached to it." Sex, Society and the Female Dilemma. A Dialog between Simone de Beauvoir and Betty Friedan, in: Saturday Review (14.6.1975), S.20, zitiert bei Cornelia Wagner, S. 211.
[66] Vgl Caldecott, L. und Leland, S. (Hrsg.): Reclaim the Earth, London 1983, S.1
[67] Vgl. z.B. Segal, L.: Ist die Zukunft weiblich? Frankfurt a.M. 1989.
[68] Vilar, E.: Das Ende der Dressur, München 1977, S. 194.
[69] Ch. Collange, zitiert bei E. Motschmann: Offen gefragt, offen geantwortet, Berlin 1988, S.70.
[70] Sichtermann, B.: FrauenArbeit. Über wechselnde Tätigkeiten und die Ökonomie der Emanzipation, Berlin 1987, S.50.
[71] Sichtermann (FrauenArbeit) 1987a, S.9
[72] Sichtermann (FrauenArbeit) 1987a, S.57 f.
[73] Vgl. Sichtermann (FrauenArbeit) 1987a, S.22
[74] Sichtermann (FrauenArbeit) 1987a, S.54
[75] Sichtermann (FrauenArbeit) 1987a, S.13
[76] Vgl. Sichtermann (FrauenArbeit) 1987a, S.57
[77] Sichtermann (FrauenArbeit) 1987a, S.54
[78] Vgl. Geinoz, F.: Wenn die Bevölkerungsfrage Familienwerte erstickt, in: Familie und Erziehung 16 (1994) Nr.3, S.4.
[79] Collange, Ch.: Die Wunschfamilie, Düsseldorf-Wien-New York-Moskau 1993, S.226.
[80] Kamphaus, Franz: Mutter Kirche und ihre Töchter, Freiburg-Basel-Wien 1989, S. 32.
[81] Johannes Paul II.: Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem, 15.August 1985, Nr.19.
[82] Tit 3,4.
[83] Vgl. hierzu auch J. Angst und C. Ernst: Geschlechtsunterschiede in der Psychiatrie, in: Weibliche Identität im Wandel. Vorträge im Wintersemester 1989/90, Heidelberg 1990, S.69-84
[84] Ebd., Nr. 30.
[85] Vgl. Stein, E.: Die Frau. Ihre Aufgabe nach Natur und Gnade, Freiburg 1959, S. 8.
[86] Jourdain von Hildebrand, A.: Feminismus und Feminität, Manuskript eines Vortrags, o.J., S.8.
[87] Görres 1960, 15.
[88] Görres 1960, 413 f.
[89] zitiert bei Siegmund, G.: Die Stellung der Frau in der Welt von heute, a.a.O., S. 95.
[90] Le Fort, G.v.: Der Kranz der Engel, 6. Aufl. München 1953, S. 302.