14.3.07

Johannes Paul II. und die Frauen

“Er hat mich wieder beim Namen genannt.” Das ist der Titel eines ergreifenden Berichts, der vor vor einigen Jahren durch die internationale Presse ging. Eine polnische Jüdin erzählt, wie ihr Leben gegen Ende des Zweiten Weltkriegs gerettet wurde. Nachdem die Russen sie im Januar 1945 aus dem Konzentrationslager Tschenstochau befreit hatten, fand sie sich völlig entkräftet auf einem kleinen Bahnhof zwischen Krakau und Kattowitz wieder. Es war kalt, sie war allein. Ein junger blonder Priester kam vorbei und erkannte sie an ihrer grünweiß gestreiften Häftlingskleidung. Er fragte nach ihrem Namen. Das gab ihr neuen Lebensmut! Auf einmal war sie keine Nummer mehr, wie in den langen Jahren der Gefangenschaft; auf einmal war sie wieder ein Mensch! Ein Mensch mit einem persönlichen Namen! Der Priester habe sich rührend um sie gekümmert, so liest man weiter. Er besorgte der jungen Frau warmen Tee, Brot und Käse; und da sie wegen ihrer geschwollenen Beine nicht laufen konnte, trug er sie schließlich - viele Stunden - zu einem größeren Bahnhof. Dort entzündete er ein Feuer an einem alten Teerfaß, schenkte ihr seinen schwarzen Umhang und versprach, sie zu seiner Tante nach Krakau zu bringen. Am Anfang ihrer Begegnung hatte er sich ihr bereits vorgestellt. Es war Karol Wojtyla...[1]

Vorurteile, Berührungsängste oder Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal anderer hat der spätere Papst Johannes Paul II. wohl nie gekannt. Wenn er in seinen Schriften immer wieder betont, daß jeder Mensch - Mann und Frau - von Gott “um seiner selbst willen” geliebt wird, so weist er damit nicht nur auf eine glückliche Formulierung des Zweiten Vatikanums hin;[2] er legt zugleich Grund, Norm und Maß seines eigenen Denkens und Handelns offen. Und wenn er sich zum Thema Frau äußert, so ist das nicht ein Ergebnis blutleerer Theorien, die abseits vom Trubel der Gesellschaft - etwa in Castelgandolfo - entstanden sind. Es ist vielmehr die reife Frucht einer lebenslangen Erfahrung.[3]

Ein persönliches Ja zu den Frauen

Johannes Paul II. ist sicher ein großer Philosoph und Theologe. Vor allem aber ist er groß als Mensch. Und er ist ein Mensch, der aus der Praxis kommt. Zunächst arbeitete er in einer Fabrik und spielte Theater, lernte also die Welt der Arbeiter und der Künstler kennen, bevor er als Universitätsprofessor ein hohes Ansehen genoß. Ganz aus der Nähe hat er die Not der Frauen im ehemaligen Kommunismus erfahren, “mit offenen Augen und keineswegs kaltem Herzen”, wie ein italienischer Schriftsteller hervorhebt.[4] Ganz aus der Nähe hat er auch gesehen, was die Frauen seines Landes in zahlreichen Familien, in Kultur und Gesellschaft geleistet haben, wobei die Gleichheitsideologie der Geschlechter sie nicht selten an den Rand der Erschöpfung trieb.[5] Vielleicht schätzt er die Frauen deshalb so sehr.[6] Vielleicht dankt er ihnen deshalb so sensibel dafür, daß sie sich “in allen Bereichen des sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen, künstlerischen und politischen Lebens” engagieren.[7] Vielleicht zeigt er sich deshalb auf seinen vielen Reisen stets solidarisch mit den Frauen aller Länder und Kontinente, vor allem mit denen, die gedemütigt und erniedrigt werden, die Objekte männlicher Gewalt und Herrschsucht sind. Wer erinnert sich nicht an jene arme Negerin in Kisangani, die plötzlich - zitternd und zerlumpt - vor dem Papst erschien? Johannes Paul II. begriff ihr ganzes Leid. Er nahm sie spontan in die Arme, und die Frau verschwand weinend in seinem weiten Mantel.[8] Dieses Beispiel ist eins von vielen.

Nicht nur in Afrika pflegt Johannes Paul II. mit aller Leichtigkeit Konventionen und Protokolle zu durchbrechen, wenn es darum geht, den Menschen nah zu sein. In Schweden nahm er 1990 die Einladung zu einem Abendessen “nur mit Frauen” an. So konnten die nordischen Priorinnen verschiedener Ordensgemeinschaften, die darum gebeten hatten, direkt mit ihm auf Deutsch, Französisch, Polnisch oder Italienisch sprechen. Es geschah in einer familiären und entspannten Atmosphäre, wie später zu hören war. Der Papst wurde von den Ordensschwestern als “sehr froh und gut informiert” charakterisiert.[9]

Bei dieser persönlichen “Offenheit gegenüber der weiblichen Welt”[10] ist es nicht verwunderlich, daß Johannes Paul II. jede Art von Diskriminierung und Verdächtigung bezüglich der Frauen entschieden verurteilt.[11] Er bricht nicht nur mit dem Protokoll, sondern auch mit einer alten Tradition, welche geistige und moralische Minderwertigkeiten bei der Frau festzustellen meinte,[12] wichtige Entscheidungen daher von ihr fernhielt und von jeder Gattin verlangte, sich ihrem Herrn und Gebieter (nämlich dem Mann) widerspruchslos unterzuordnen.[13] Solche Mahnungen beschnitten die Freiheit der Frau und konnten unter Umständen tief verletzen. Sie trafen indirekt aber auch den Mann, der - sofern er sich an die weit verbreiteten Normen hielt - auf eine echte Partnerschaft verzichten mußte. Statt einer “Freundin” hatte er eine “Sklavin”, so könnte man etwas plakativ formulieren.[14] Obwohl sicher zu beachten ist, daß die Mentalitäten in früheren Zeiten etwas anders waren als heute, scheut der Papst sich nicht, neben allen Fortschritten auch die Fehler der Kirche in der Frauenfrage freimütig zu bekennen.[15] “Ich würde mir wünschen, daß alle Fanatiker der Welt mit der Ausgewogenheit des Papstes denken,” bemerkte Gertrude Mongella, die Vorsitzende der Welt-Frauenkonferenz von Peking, nach einer Begegnung mit dem Heiligen Vater im August 1995.[16]

Treffend ist Johannes Paul II. als “Pionier” der Menschenrechte für die Frau,[17] als ein großer “Erneuerer”[18] bezeichnet worden. Fern von aller romantischen Schwärmerei stellt er sich eindeutig auf die Seite derjenigen, die sich für soziale und politische Gerechtigkeit einsetzen. “Emanzipation” bedeutet für ihn eine Lösung von hemmenden Traditionen, von Klischees und Vorurteilen, von allen zu eng gewordenen Lebensformen. Er ruft ins Bewußtsein, daß die christliche Gemeinschaft die größte Frauen-Hilfs-Organisation der Welt ist. Tatsächlich gibt es wohl keine Einrichtung der UNO, die in zahllosen kleinen afrikanischen Dörfern oder südostasiatischen Inseln mit so vielen Hilfsprogrammen vertreten ist wie die Kirche, um die Frauen aller Länder aus der Bildungs- und scheinbaren Bedeutungslosigkeit herauszuführen.[19]

Der Schatz des Evangeliums

Dabei geht es dem Papst sicher nicht darum, auf jeden Fall “originell” zu sein. Seine Lehre ist neu und alt wie das Evangelium, zu dessen Wurzeln er immer wieder zurückkehrt. Er möchte sich an dem Verhalten Jesu orientieren[20] und das, was zum Schatz der Kirche, zum Glaubensgut gehört, von gewachsenen Mißverständnissen reinigen. So trägt er dazu bei, die christliche Botschaft klar und unverfälscht in unsere Zeit hineinzuformulieren, wie es ja auch das Anliegen des II. Vatikanums[21] und seiner unmittelbaren Vorgänger war.[22]

So brachte etwa Paul VI. gegen Mitte der siebziger Jahre das neue Phänomen der religiösen Distanz zur Mutter Jesu mit dem neuen Selbstverständnis der Frau in Verbindung. In seinem Apostolischen Schreiben über die Marienverehrung, "Marialis Cultus", bemerkte er mit Weitblick: "Es fällt in der Tat schwer, das Bild von Maria, wie es in bestimmten Andachtsbüchern und frommen Schriften zu finden ist, mit den heutigen Lebensbedingungen der Gesellschaft und insbesondere der modernen Frau in Einklang zu bringen - sei es im häuslichen Bereich, wo die Gesetze und die Gewohnheiten mit Recht darauf hinwirken, daß die Frau in der Leitung der Familie die gleichen Kompetenzen besitzt wie der Mann - sei es auf dem Gebiet der Politik, wo sie heute in vielen Ländern die gleichen Rechte besitzt wie der Mann - sei es im sozialen Bereich, wo sie in vielfältigen Aufgaben ihre volle Eigenart entfalten kann und so immer mehr aus dem engen Raum der Familie herauswächst - sei es auf kulturellem Gebiet, wo ihr neue Möglichkeiten der wissenschaftlichen Forschung und der intellektuellen Leistung offenstehen."[23] Diese Mahnungen sind leider nicht überall gehört worden.[24] “Die Lichter, die aus Rom kamen, blieben weitgehend unter dem Scheffel versteckt,” gibt Kardinal Albert Decourtray zu bedenken.[25] Es ist nun endlich an der Zeit, sie rund um den Erdkreis bekannt zu machen. Und wer könnte das besser verwirklichen als der Papst selbst?

Johannes Paul II. bekennt klar, daß die Kirche spät damit begonnen hat, ihren Schatz zu heben. Teresa von Avila und Katharina von Siena sind erst in diesem Jahrhundert, erst 1970, offiziell zu Kirchenlehrerinnen erklärt worden; ihr Wirken war längst vorher bekannt.[26] Frühere Befürworter der Ernennungen hatten die Antwort erhalten: “Obstat sexus - ihr Geschlecht als Frau steht dem entgegen.”[27] Dagegen wurde Thérèse von Lisieux bereits 1996 - nach wesentlich kürzerer “Wartezeit” - in den Rang der doctores eingereiht, obwohl sie kein wissenschaftliches Werk hinterlassen hat. Eine Demonstration, daß das Zeugnis des Lebens eben wichtiger ist als jede Theorie![28]

Ein neuer geschichtlicher Ansatz

Gerade in der Frauenfrage zeigt Johannes Paul II. geistige Tiefe und Herzensweite. Seine Weite umspannt im buchstäblichen Sinn die gesamte Menschheit, sowohl räumlich als auch zeitlich. So setzen seine Reflexionen in dem Apostolischen Schreiben “Mulieris dignitatem” nicht kurzatmig bei den empirischen Daten der gesellschaftlichen Lage der Frauen an, die sich zudem dauernd ändern, und die etwa in Rußland oder Indien anders aussehen als in Kolumbien oder Kanada. Vielmehr bietet der Papst eine grundsätzliche Betrachtung des christlichen Frauenbildes[29] und gewinnt von daher die Basis zur Beurteilung der je geschichtlichen Wirklichkeiten mit ihren Herausforderungen für Frau und Mann. Nicht der neuzeitliche Feminismus, sondern die Heilsgeschichte stellt die Bühne dar.

Der Papst geht bis zu unseren Ursprüngen, bis zur Genesis, zurück und interpretiert sie neu. Eva ist nicht “die Verführerin”, sondern gleichwertige Partnerin Adams.[30] So kann eine Geschichtsbetrachtung entstehen, in der die Frauen tatsächlich einbezogen und ernstgenommen werden, auch wenn ihr Wirken jahrhundertelang im Verborgenen geschah. Dem liegt die Auffassung zugrunde: Die Frauen wurden zwar - häufig ungerecht - daran gehindert, öffentlich hervorzutreten; aber trotzdem war ihr Handeln immer wirksam und wertvoll und verdient es, auch genannt zu werden.[31] Unwillkürlich wird man an einen Ausspruch der Dichterin Gertrud von Le Fort erinnert: “Der tiefe Trost, den die Frau der heutigen Menschheit zu geben vermag, ist der Glaube an die unermeßliche Wirksamkeit auch der verborgenen Kräfte, die unerschütterliche Gewißheit, daß nicht nur ein sichtbarer, sondern auch ein unsichtbarer Pfeiler diese Welt trägt und hält.”[32] Der Papst tritt allerdings dafür ein, daß hier keine geschlechtsspezifischen Trennungen mehr vorgenommen werden, sondern Männer und Frauen gemeinsam sowohl an dem sichtbaren als auch an dem unsichtbaren “Pfeiler” bauen.[33]

Am Anfang der Menschheitsgeschichte war genau dies vorgesehen. Adam und Eva standen nebeneinander vor Gott, mit derselben Würde, Freiheit und Verantwortung.[34] Der Doppelaufrag, die zeitlichen Güter zu verwalten und für die Nachkommen Sorge zu tragen, wurde an beide gerichtet, nicht der erste Teil an Adam, der zweite an Eva.[35] In diesem Sinne sollen sich auch in der Ehe Mann und Frau als gleichwertige Partner verstehen, die ein gemeinsames Leben wagen und sich zusammen darum bemühen, Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Beide sind “auf gleicher Höhe”. Schön verdeutlicht dies der junge Karol Wojtyla in seinem Theaterstück “Der Laden des Goldschmieds”. Als - in dieser Erzählung - Andrezej seiner Freundin Teresa einen Heiratsantrag macht, wird dies folgendermaßen beschrieben: “Willst du die Gefährtin meines Lebens sein? So sagte er. Nicht etwa: Willst du meine Frau werden, sondern: die Gefährtin meines Lebens. Er hatte sich also gut überlegt, was er sagte.” Teresa versteht den Sinn seiner Worte. Sie besorgt sich Brautschuhe mit hohem Absatz, um nach außen hin sichtbar zu machen, daß sie ebenso groß ist wie er.[36]

Die Texte der Genesis lassen auch den letzten Grund erkennen, warum das Miteinander von Mann und Frau oft gestört ist: “Gerade in diesen Anfang drängt sich die Sünde ein und tritt dort als Gegensatz und Verneinung auf.”[37] Wie die Verantwortung, so ist die Schuld natürlich beiden Geschlechtern gemeinsam. Und auch die Strafe haben beide zu tragen.[38] Als Gott nach dem Sündenfall zu Eva sagte, daß Adam über sie herrschen werde (nicht solle),[39] da traf er sowohl die Frau als auch den Mann im inneren Wesenskern. Beide leiden an der Unterdrückung der Frau (übrigens auch an der “Unterordnung”, sofern sie nicht nur Metaphorik ist); denn diese Situation widerspricht zutiefst ihren natürlichen Wünschen und Sehnsüchten. Beide leiden, wenn auch auf verschiedene Weise. Auf den ersten Blick scheint es, daß die Frau an den Folgen der Sünde schwerer zu tragen hat.[40] Der Papst prangert an, daß sie oft alleingelassen wird und für gemeinsame Taten allein “zahlen” muß.[41] Im Grunde aber wird der Mann selbst noch mehr verletzt, wenn er die Frau verachtet und mißbraucht (und auch, wenn er sie scheinbar liebevoll wie ein unmündiges Kind behandelt). Denn der, der Unrecht tut, entfernt sich mehr vom Glück als der, der Unrecht leidet. Letztlich zerstört er nicht den anderen, sondern sich selbst. Er entstellt das Bild Gottes in sich immer mehr.

Der Mensch - Bild Gottes

Daß der Mensch als Bild Gottes geschaffen wurde,[42] ist ein Gedanke, den Johannes Paul II. mehrfach erläutert hat.[43] Er beinhaltet, daß sowohl der Mann als auch die Frau “Personen” sind,[44] mit eigener Innerlichkeit und Tiefe, mit der Möglichkeit, die Welt zu verstehen, sich frei zu entfalten, kreativ zu sein.[45] Das “Bild Gottes” gehört zu ihrer individuellen Seinsstruktur; es ist nicht äußerlich hinzugefügt. Gott hat nicht erst den Menschen geschaffen und ihm dann sein Bild eingeprägt. Mann und Frau haben nicht ein Bild Gottes in sich, sondern sie sind Bild Gottes von Anfang an, in der Einheit von Körper und Geistigkeit.[46]

Die Frau ist folglich nicht ein vom Mann her und auf ihn hin definiertes Wesen. Sie hat Wert und Würde in sich selbst, erhält diese also nicht erst durch einen anderen - etwa als “Tochter des Bürgermeisters” oder “Mutter des Prinzen”. Der Bericht von der Schöpfung aus jener gemeinsamen “Rippe”[47] unterstreicht dies noch. Er ist für Johannes Paul II. keineswegs ein “Beweis” für die Unterordnung der Frau, sondern ein lebendiger Ausdruck für die Wesensgleichheit der Geschlechter, die denselben “Stoff” in sich tragen:[48] “Die Frau ist ein anderes ‘Ich’ im gemeinsamen Menschsein.”[49]

Als Person verfügt jeder Mensch - Mann und Frau - über eigene Innerlichkeit und Tiefe, zu der kein anderer Mensch Zugang hat. Andererseits besitzt er die Möglichkeit, sich zu öffnen und mit anderen Personen in Gemeinschaft zu treten; er ist von Natur her auf Beziehung angelegt.[50] Auch hierin gleicht er seinem Schöpfer[51], dessen Dreipersonalität ein letztes und unergründliches Geheimnis ist. Die klassische Theologie versteht die drei göttlichen Personen als Relationen, als wechselseitige Bezogenheit, in denen die Einheit in der Verschiedenheit in höchstem Maße verwirklicht ist. Das innertrinitarische Leben stellt sich uns als eine innige Gemeinschaft zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist geheimnisvoll dar. Analog dazu ist auch der Mensch dazu bestimmt, durch liebendes Miteinander im Du ein anderes Ich zu finden. Menschsein heißt, “zur interpersonalen Gemeinschaft”[52] berufen zu sein. Hinweis darauf gibt die Zweigeschlechtlichkeit. “In der ‘Einheit der zwei’ sind Mann und Frau von Anfang an gerufen, nicht nur ‘nebeneinander’ oder ‘miteinander’ zu existieren, sondern sie sind auch dazu berufen gegenseitig ‘füreinander’ dazusein.”[53]

Für Johannes Paul II. ist es selbstverständlich, daß die “Hilfe”, von der die Genesis spricht, gegenseitig ist.[54] Der Mann hilft der Frau und diese dem Mann, ein glückliches Leben zu führen, sich zu verwirklichen.[55] Jeder besitzt Wertqualitäten, die ihm eigen sind, und jeder ist dem anderen in seinem Bereich überlegen. Man muß die geschlechtliche Differenz nicht als unwesentlich oder nachträglich definieren, um die Gleichheit zu retten. Sie ist nicht eine bloße Bedingung, die auch fehlen könnte, nicht nur Ausdruck gesellschaftlicher Prägung, sondern sie stammt aus der Absicht des Schöpfers selbst, aus dem göttlichen Willen zum Mann und zur Frau.[56] Sie ist auch nicht irgendeine Wirklichkeit, die nur auf den körperlichen Bereich zu begrenzen wäre. Mann und Frau ergänzen sich in ihrer je spezifischen leiblich-seelisch-geistigen Natur.[57] Ihre höchst konkrete, anschauliche, auch spürbare Andersheit muß weder nivelliert noch geleugnet werden. Vielmehr geht es darum, die Gleichrangigkeit des Unterschiedlichen zu entdecken und Konsequenzen zu ziehen. Der Sinn für Unterschiede ist ein Zeichen für Freiheit und Gerechtigkeit, wohl auch für schlichten Realitätssinn. Er ist nach dem Philosophen Jörg Splett sogar ein "Gradmesser für die Kultiviertheit des Menschen überhaupt". Splett erwähnt in diesem Zusammenhang ein altes chinesisches Sprichwort, das sagt, die Weisheit beginne damit, “dem anderen sein Anderssein zu vergeben”.[58]

Mannsein und Frausein sind zwei verschiedene Ausprägungen des einen Menschseins, des leiblich-seelischen Seins eines nach dem Bild Gottes geschaffenen Wesens, das Innerlichkeit und Eigenständigkeit, immer aber auch Beziehung zum anderen ist, Selbstsein und Mitsein zugleich. Der Mensch als Person greift über sich hinaus, weist auf einen anderen hin, für den es zu leben und den es zu lieben gilt. In Beziehung zu leben, Beziehungen einzugehen, entspricht der inneren Struktur seines Wesens.[59] Freundschaft, Liebe, Sorge füreinander und Teilnahme am Schicksal der anderen sind folglich nicht etwas Zufälliges, Dekoratives, letztlich Überflüssiges für Mann und Frau, sondern absolut notwendig zur geistigen Reife und zum menschlichen Glück. Denn in dem gleichen Maße, in dem die Person sich selbst Ziel ist und zur eigenen Entfaltung strebt, gilt auch dies: Sie kann sich nur dann verwirklichen, wenn sie bereit ist, ihre je eigenen Begabungen und Fähigkeiten - mehr noch: sich selbst - in den Dienst der anderen zu stellen.[60] Paradoxerweise entfaltet sie sich gerade dann, wenn sie sich den anderen schenkt, wenn sie - mit Worten Johannes Pauls II. - zur "Gabe" für die anderen wird.[61] Hier ist selbstverständlich eine verantwortete und zu verantwortende Hingabe gemeint. Selbsthingabe darf nie so mißverstanden werden, als ob man sich einem anderen als Mittel für dessen Zwecke zur Verfügung stellte. Weder sich noch andere darf der Mensch als Mittel begreifen. Unter diesen Voraussetzungen aber gilt, daß er gerade dann zur tiefsten persönlichen Verwirklichung gelangt, wenn er den anderen hilft, sie selbst zu sein.

Mann und Frau sind geschaffen, um füreinander dazusein, in Freiheit und Liebe. Eheliche Liebe besteht folglich, wie jede andere Form der Liebe auch, in einem ständigen Geben und Nehmen.[62] Für die Interpretation des so oft zitierten neutestamentlichen Wortes, nach dem die Ehe ein Zeichen der Liebe Christi zu seiner Kirche ist, heißt das schlicht: Beide Ehepartner sind “Christus” füreinander, und beide sind auch “Kirche”.[63]

Der weibliche “Genius”

Was nun bedeutet es, “Mann” oder “Frau” zu sein? Worin unterscheiden sich die Geschlechter? Dank der Emanzipationsbewegungen ist zumindest in der westlichen Welt heute weithin klar, daß der Unterschied nicht in irgendwelchen intellektuellen oder moralischen Qualitäten zu suchen ist. Tatsächlich wurde er in vergangenen Zeiten häufig übertrieben. Daher ist es verständlich, daß zahlreiche Frauen versuchen, ihn einfach beiseite zu schieben.[64] Inzwischen haben wir allerdings auch einige Erfahrung, wohin das führen kann – nämlich in den Krampf der Selbstverleugnung und bisweilen sogar in die psychische Krankheit hinein.

Demgegenüber ermutigt Johannes Paul II. die Frauen, sich in ihrem Anderssein ganz bewußt zu bejahen. Es wäre zu fade und für die Welt eine Verarmung, wenn die Emanzipation der Frau lediglich als ein Angleichen an den Mann verstanden würde. Das Leben verlöre Licht und Wärme, das Miteinander seinen besonderen Reiz. Etwas viel Teureres, Lohnenderes, auch Schwierigeres muß angestrebt werden. Es geht darum, den inneren Reichtum der Frau zu entdecken. Alle Emanzipation von äußeren Fesseln dient dazu, den weiblichen “Genius” voll zur Entfaltung zu bringen.[65]

Johannes Paul II. spricht gern von diesem weiblichen “Genius” oder auch von einem “Charisma”, einer besonderen “Berufung” der Frau[66] – übrigens nicht nur in seinen offiziellen Texten. Die italienische Politikerin Maria Antonietta Macciocchi erzählt von einer privaten Unterredung mit ihm, in der er ihr versicherte: “Ich glaube an den Genius der Frau... Ja, ich glaube, daß der weibliche Genius der Sauerteig des menschlichen Fortschritts und der menschlichen Geschichte ist, selbst in den dunkelsten Epochen.”[67] Dieser “Genius” bot dem Heiligen Vater manches Mal Hilfe und Ansporn. So war es beispielsweise nicht ein hoher kirchlicher Würdenträger, auch kein staatlicher Repräsentant, der ihn bat, ein Heim für alte und behinderte Menschen in einem der Vatikanischen Gärten errichten zu lassen. Es war eine schlichte Frau, Mutter Teresa aus Kalkutta. Und er hörte auf sie![68]

Nun wird man sich nüchtern fragen, welchen “Reichtum”, welche “Talente” die Frau denn hat, die der Mann nicht auch besäße. Und man wird an das Mutter-Sein denken. Denn das einzige, wodurch die Geschlechter sich unterscheiden, ist offensichtlich ihre je eigene Begabung zur Vater- und zur Mutterschaft.

Tatsächlich streicht Johannes Paul II. nicht selten – mit besonderem Gespür für die Belange der Frau – Größe und Ernst der physischen Mutterschaft heraus. Sie ist ein Ausdruck des Vertrauens und der Nähe Gottes, betont er, unmittelbarer und tiefer noch als die physische Vaterschaft. Als Mutter ist die Frau berufen, “Ort” eines göttlichen Schöpfungsaktes zu sein.[69] Denn die Eltern wirken auf unbegreifliche Weise mit Gott zusammen, wenn ein neuer Mensch entsteht. Dieser wird noch vor dem Mann der Frau anvertraut, damit sie ihn (zunächst in sich) aufnehme, berge und ernähre. Zwar ist die Schwangerschaft nicht selten von Anstrengung und Erschöpfung gekennzeichnet – doch bedeutet es nicht eine besondere Auszeichnung für die Frau, Gottes schöpferische Liebe bis in die eigene Leiblichkeit hinein spüren zu dürfen? Daß die Frau als Mutter herabgesetzt oder benachteiligt sei, kann nur aus einer oberflächlichen Perspektive heraus behauptet werden. Aus christlicher Sicht gilt im Gegenteil, daß der Frau in ihrer Mutterschaft ein ganz besonderer “Vorrang vor dem Mann” zukommt, wie Johannes Paul II. formuliert.[70]

Damit soll die Mutter keineswegs “ans Haus gefesselt”, zu “Sklavenarbeiten verurteilt” werden, auch wenn dies in einigen feministischen Kreisen längst als bewiesen erscheint. Zwar erfahren nicht wenige Frauen die Geburt eines Kindes als Belastung, was teils an dem Unverständnis der Mitmenschen, teils auch an ungerechten Sozialstrukturen liegen mag. Doch das sind Folgen der Sünde, nicht notwendige Begleitumstände der Mutterschaft. Ihretwegen darf einem neuen Menschen das Leben nicht verweigert, sie selbst müssen abgeschafft werden! Dies stellt in allen Gesellschaften gerade für Christen eine der dringendsten Herausforderungen dar.[71]

Natürlich ist es nicht wünschenswert, daß die Frau in den eigenen vier Wänden “eingesperrt” lebt. Dies mag ein Ideal des Bürgertums im 19. Jahrhundert gewesen sein;[72] mit christlicher Moral hat es wenig zu tun. Je nach persönlicher Belastbarkeit und familiärer Situation kann die Frau es sogar als ihre Pflicht betrachten, auch andere Formen des - beruflichen, ehrenamtlichen oder persönlichen - Engagements in der Gesellschaft zu suchen und ihr Haus für viele Menschen zu öffnen. Daß das Wohl der Familie stets das erste Anliegen guter Eltern bleiben wird, steht dabei außer Debatte. Und daß die Erziehung eines Kindes mehr Kreativität, Flexibilität und Einsatzfreude verlangt als fast jede außerhäusliche Tätigkeit, ist auch ganz sicher.[73]

Doch bei aller Liebe zu den Müttern auf der ganzen Welt meint Johannes Paul II. in erster Linie nicht die physische Mutterschaft, wenn er vom “Genius” der Frauen spricht. Die Tatsache, daß eine Frau Mutter sein kann, heißt für ihn nicht, daß alle Frauen Mütter sein sollten und nur in der Mutterschaft das Glück finden könnten. Der weibliche “Genius” zielt eher auf eine seelisch-geistige Dimension, auf eine gewisse Grundhaltung, die der physischen Struktur der Weiblichkeit durchaus entspricht und durch sie gefördert wird. So wie eine Frau in der Zeit der Schwangerschaft eine einzigartige Nähe zu einem neuen Menschen erfahren kann, so begünstigt ihre Natur sie auch, menschlich-spontane Kontakte zu den anderen Menschen ihrer Umgebung zu knüpfen.[74] Die “geistige Mutterschaft” besteht in einer zarten Sensibilität, in einem besonderen Gespür für die Bedürfnisse der anderen,[75] in der Fähigkeit, seelische Konflikte zu erahnen und mitzutragen. Sie zielt auf Personennähe, Realitätsbezug, Einfühlungsvermögen. Im Grunde bezeichnet sie nicht mehr und nicht weniger als eine besondere Liebesfähigkeit der Frau.[76]

Diese geistige Mutterschaft ist für Johannes Paul II. der “Genius”, der innere Reichtum der Frau. Er umfaßt das Talent, in der Masse den einzelnen zu entdecken und zu fördern, und auch in einem hektischen Betriebsalltag nicht zu vergessen, daß Personen wichtiger als Sachen sind. Gott hat der Frau, wie der Papst es ausdrückt, “in einer besonderen Weise den Menschen anvertraut.”[77] In diesem Sinne sind tatsächlich alle Frauen berufen, auf irgendeine Weise “Mutter” zu sein.[78] Was heißt das denn anderes, als die Anonymität zu durchbrechen, den anderen ein offenes Ohr zu schenken, ihre Sorgen ernst zu nehmen, sich solidarisch zu zeigen? Unverbildeten Frauen fällt es normalerweise nicht schwer, Geborgenheit zu vermitteln und eine Umgebung zu schaffen, in der man sich wohlfühlen kann. Sie neigen oft zu einem intuitiven, spontanen Handeln, das nicht einseitig auf Funktionalität und Effektivität ausgerichtet ist.[79] So können sie, unauffällig und natürlich, von der Liebe Gottes zu jedem einzelnen Menschen Zeugnis geben und den anderen das Bewußtsein vermitteln, daß sie – auch von Gott – mit allen ihren Nöten angenommen werden, und daß ihr Leben wertvoll ist.

Gemeinsam als Mann und Frau

Die Botschaft des Papstes lautet gewissermaßen: In einer Gesellschaft, in der die weiblichen Kräfte nicht zum Tragen kommen, die vielmehr geprägt ist von Leistungsdenken und Erfolgswahn, kann sich - trotz allen äußeren Glanzes und aller technischen Wunder - die menschliche Persönlichkeit nicht gesund entfalten. Bedeutet dies nun, so könnte man etwas enttäuscht fragen, daß die Frauen nur deshalb in Politik und Wirtschaft zugelassen werden sollten, weil sie mit ihrem Lächeln die gestreßten Manager aufheitern könnten? Haben sie nur den Auftrag, ein gutes Betriebsklima zu schaffen, Blumen zu gießen und Kaffee zu kochen? Sicher nicht! Johannes Paul II. eröffnet weitere Horizonte.[80] Indem er die Frau in ihrem Person-Sein erfaßt, erwartet er von ihr, daß sie sich den Forderungen des Berufslebens ernsthaft stellt; und er ermuntert sie, auch “schwere” Verantwortung zu übernehmen.[81]

Nun prägt allerdings ein gewisses Nicht-Einbeziehen der Frauen bis heute viele Gesellschaften,[82] immer mehr in seinen sublimen Formen. Dagegen möchte Johannes Paul II. die Frauen in allen Bereichen gefördert wissen, und zwar nicht nur auf legaler Ebene, in Dokumenten und Gesetzestexten, sondern auch faktisch und real,[83] das heißt im ganz gewöhnlichen Alltag, wie er sich in Firmen und Betrieben von morgens bis abends abspielt, von den Dienstleistungen bis zur Arbeit in den Chefetagen.[84] Überall sollen die Frauen als echte Partnerinnen betrachtet werden. Dies gilt natürlich auch für die kirchlichen Institutionen.

Daß das Priestertum in der katholischen Kirche den Männern vorbehalten ist, wird von vielen nicht verstanden. Auf jeden Fall aber wird einem Menschen guten Willens inzwischen klar sein, daß der Papst sich hier einem Gebot Christi verpflichtet fühlt, das zu erläutern eine dringende theologische Aufgabe darstellt.[85] In einer Zeit, in der mit aller Klarheit die Verbindlichkeit des persönlichen Gewissens neu formuliert wird, sollte auch das Gewissen des Nachfolgers Petri respektiert werden. Die Tatsache, daß die Männlichkeit eine Voraussetzung für die Priesterweihe ist, hat mit Misogynie nichts zu tun![86] Dafür gibt Johannes Paul II. ein zu eindeutiges Zeugnis von seiner aufrichtigen Wertschätzung aller Frauen. Diese haben unendlich viele andere Möglichkeiten, sich als Christinnen zu engagieren, wenn sie es wollen.[87]

Natürlich ist der Papst ein viel zu guter Menschenkenner, um nicht klar zu sehen, daß das weibliche Geschlecht keineswegs immer sanft und freundlich ist. Viele Frauen haben ihren “Genius” nicht oder nicht genügend entfaltet. Andererseits hat auch der Mann sich um Geduld und Verständnisbereitschaft zu bemühen,[88] die im Grunde eine Forderung für jeden Christen sind. “Ich glaube an den weiblichen Genius” heißt doch nichts anderes als “Ich glaube an die Liebe! - Ich glaube daran, daß unser gesellschaftliches Zusammenleben besser und angenehmer werden kann, wenn wir bereit sind, auch an die anderen zu denken.” Johannes Paul II. wendet sich an die tiefsten Schichten des menschlichen Herzens. Von hier aus muß eine Umwandlung geschehen, wenn die Welt neu gestaltet werden soll.[89]

Echte Liebe äußert sich im Hier und Jetzt, in unzähligen kleinen Gesten, selten auch in großen Taten. Da die Frau eine besondere Beziehung zum Geheimnis des Lebens hat, ist es für sie gewissermaßen leichter, die Liebe konkret zum Ausdruck zu bringen. Sie hat die Fähigkeit, rasch zu erspüren, wer in jeder Situation ihr “Nächster” ist. Der Mann - obgleich er Vater ist - befindet sich immer etwas “außerhalb” des Prozesses der Schwangerschaft und der Geburt und nimmt nur durch seine Frau an ihm teil.[90] Von Natur her hat er eine größere Distanz zum Leben. Daher kann (und muß) er von der Frau viel lernen.[91] Eine Gesellschaft wird sich natürlich nur ändern, wenn beide Geschlechter gemeinsam eine neue Kultur fördern, in der das Füreinander-Dasein von neuem verstanden und gelebt wird.[92] Nur zusammen können sie eine “Zivilisation der Liebe” errichten.[93]

Wenn Johannes Paul II. an den “weiblichen” Genius appelliert, so spricht er letztlich nicht von der Frau, sondern von einer bestimmten Anlage, die auch im Mann vorhanden ist; ähnlich beanspruchen ja auch die “männlichen” Qualitäten bei der Frau Entfaltung.[94] Immer geht es um die Ganzheit der Person,[95] um die geistige Reife von Mann und Frau, die allerdings nur in einer ständigen “Konversion”, in einer tiefen Umkehr des Herzens “zum anderen hin” erstrebt werden kann. Denn beide, Mann und Frau, sind nach dem Bild des dreifaltigen Gottes geschaffen, um “Gabe” zu sein.[96] Beide haben eine Berufung zur Liebe empfangen. “Ich habe dich bei deinem Namen gerufen” - das sagt Gott zu jedem einzelnen, zu jedem Mann und zu jeder Frau.[97]

Ausblick

Die Vision des Papstes beginnt bei der Genesis und reicht weit über das dritte Millenium hinaus. Sie weist auf das Ende der Menschheitsgeschichte hin, von dem aus unsere augenblickliche Situation noch eine vertiefende Deutung erfährt. In der apokalyptischen Darstellung erscheint Maria als Siegerin im Kampf gegen jedes Unrecht, schlicht als Mutter.[98] In ihrer Freiheit und Selbstlosigkeit, in ihrem Einsatz, “den Menschen zu retten”, ist sie Vorbild für uns alle.[99] Hier wird uns klar versichert: Der “weibliche Genius” ist stärker als alle Gewalt, auch wenn aus unserer begrenzten Sicht zuweilen das Gegenteil der Fall zu sein scheint. Doch wir können sicher sein: Was wir am Ende unseres Lebens in den Händen halten, das ist nicht unser Geld und auch nicht unser Erfolg. Was unsere wirkliche, ewig andauernde Existenz aufbaut, ist die Liebe, die wir gegeben und empfangen haben - sonst nichts.


Jutta Burggraf

[1] Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14.2. 1998. - Es handelte sich, genau genommen, nicht um einen “Priester”, sondern um einen Seminaristen. Karol Wojtyla empfing die Priesterweihe am 1.11.1946.
[2] Vgl. die Pastoralkonstitution Gaudium et Spes (= GS, 24) vom II. Vatikanischen Konzil und das Apostolische Schreiben Mulieris dignitatem (=MD 7; 10; 13; 18; 20; 30) von Johannes Paul II. (15.8.1985).
[3] Johannes Paul II. hat bezüglich der Frauenfrage klar gesagt: “Alles, was ich über dieses Thema in Mulieris dignitatem geschrieben habe, trug ich seit meiner frühen Jugend, ja, gewissermaßen seit der Kindheit in mir.” Vgl. Die Schwelle der Hoffnung überschreiten, Hamburg 1994, S.241.
[4] Vgl. Italo Alighiero Chiusano: Variaciones sobre la Mulieris dignitatem, in Las mujeres según Wojtyla (= MW), hrsg. von Maria Antonietta Macciocchi, Madrid 1992, S.285.
[5] Vgl. das Gespräch Johannes Pauls II. mit der italienischen Politikerin und Autorin Maria Antonietta Macciocchi, veröffentlicht in MW, S.38-40.
[6] Vgl. etwa die Ausführungen Johannes Pauls II. beim Angelus (=An), 9.7.1995.
[7] Johannes Paul II.: Brief an die Frauen (=BF; 29.6. 1995), 2.
[8] Diese Begebenheit wird beschrieben von Maria Antonietta Macciocchi: Las mujeres de Wojtyla, in MW, S.53.
[9] Vgl. die Aussagen von Catarina Broomé, in MW, S.148.
[10] So charakterisiert die Schriftstellerin Rosetta Loy die Haltung des Papstes gegenüber den Frauen, in MW, S.314.
[11] Vgl. Johannes Paul II.: Evangelium vitae (=EV), 99.
[12] Aus der Fülle der Literatur vgl. die wissenschaftliche Darlegung von Josep Ignasi Saranyana: La discusión medieval sobre la condición femenina, Salamanca 1997.
[13] Nach den Ermahnungen des 1566 veröffentlichten Catechismus Romanus (Teil II-VIII, 2 und 27) sollten die Frauen sich “unterwürfig” zeigen, ihren Männern “willfährig sein und mit der größten Bereitwilligkeit gehorchen.” Es liegt eine deutsche Ausgabe vor: Der römische Katechismus, übersetzt nach der zu Rom 1855 veröffentlichten Ausgabe, Kirchen/Sieg 1970.
[14] Johannes Paul II. hebt hervor, daß die Ungerechtigkeiten, die die Frau erfährt, zutiefst verletzend und schädigend sind, nicht nur für sie selbst, sondern auch für den Mann. Vgl. MD 10.
[15] Vgl. BF 3.
[16] Diese Worte von Gertrude Mongella wurden veröffentlicht in Kirche heute (1996/12), S.26.
[17] Vgl. G.W. Hunt: The Pope on the Human Vocation, in America 159 (1988), S.267.
[18] Vgl. die Aussagen von Kard. Albert Decourtray, in MW, S.236; auch die Bemerkungen der kanadischen Theologin Elisabeth J. Lacelle, ebd., S.164; auch Catarina Broomé, ebd., S.150 und 152.
[19] Vgl. die Botschaft des Papstes an die Generalsekretärin der Weltfrauenkonferenz in Peking (26.5.1995), veröffentlicht in Johannes Paul II.: Carta y 21 mensajes a las mujeres (=CMM), Madrid 1996, S.46-58.
[20] Vgl. MD 12-16. - BF 3.
[21] Der in diesem Zusammenhang wohl berühmteste Text lautet: “Doch jede Form einer Diskriminierung in den gesellschaftlichen und kulturellen Grundrechten der Person, sei es wegen des Geschlechts, der Rasse, der Farbe… muß überwunden und beseitigt werden, da sie dem Plan Gottes widerspricht.”GS 29. - Dieser Text findet sich zwar nicht in MD; doch die Pastoralkonstitution, aus der er stammt, wird in MD dreizehnmal zitiert. - Vgl. auch GS 8; 9; 60. - Dekret Apostolicam Actuositatem 9. - Botschaft des Konzils an die Frauen (8.12. 1965), AAS 58 (1966), S.13 f.
[22] Vgl. etwa Pius XII.: Ansprache an die italienischen Frauen (21.10. 1945), AAS 37 (1945), S.284-295.- Ders.: Ansprache an die Weltunion der Katholischen Frauenorganisationen (24.4. 1952), AAS 44 (1952), S.420-424. - Johannes XXIII: Enzyklika Pacem in Terris (11.4.1963), AAS 55 (1963), S.267 f.
[23] Paul VI.: Apostolisches Schreiben Marialis Cultus (2.2. 1974), II, 34.
[24] Vgl. dazu Jutta Burggraf: “Das Verständnis der Frau am Beispiel der Magnifikat-Interpretationen im 20. Jahrhundert”, in Forum Katholische Theologie 13 (1997/1), S.50-69.
[25] Albert Decourtray: La enseñanza más novedosa que nos ha llegado de la cátedra de Pedro, in MW, S.237.
[26] Schon Pius X. nannte Teresa von Avila in einem amtlichen Schreiben "Lehrerin" ("magistra"); er richtete dieses Schreiben aus Anlaß der Dreihundertjahrfeier der Seligsprechung an den General der unbeschuhten Karmeliten. Vgl. AAS VI (1914), S.137-145. - Paul VI. erhob die Heilige von Avila schließlich am 27. September 1970 als erste Frau in den Rang einer Kirchenlehrerin. - Auch Johannes Paul II. empfahl sie den Christen zur Nachahmung. Vgl. Ansprache in Avila am 1.11.1982, in Der Apostolische Stuhl, Rom-Köln 1984, S.680.
[27] Vgl. Österreichische Karmeliten (Hrsg.): Teresa de Jesús. Eine Frau als Kirchenlehrer, 2.Aufl. Linz 1972, S.12.
[28] Vgl. Alfredo García Suárez: Eclesiología-Catequesis-Espiritualidad, hrsg. von Pedro Rodríguez, Pamplona 1998, S.749-766.
[29] Johannes Paul II. wollte diesem Dokument “den Stil und Charakter einer Meditation” (MD 2) geben; hieran erkennt man seine Haltung, die Fragen der Gegenwart in Ruhe abzuwägen und vertiefend zu betrachten. Eine “Betrachtung” könnte zwar auf den ersten Blick die Aufnahmebereitschaft eines lehramtlichen Dokumentes verringern; sie kann diese aber auch vertiefen: “Lex orandi, lex credendi.”
[30] Vgl. die Ausführungen zum Sündenfall, in der Generalaudienz (=GA), 26.9.1980; auch GA, 5.3.1980.
[31] Vgl. An, 30.7.1995 und 13.8.1995.
[32] Gertrud von Le Fort: Die Krone der Frau, Zürich 1950, S.68. - Vgl. dies.: Wirken und Wirkung. Dokumente zusammengestellt von Eleonore von La Chevallerie, Heidelberg 1983, S. 174 und 193.
[33] Vgl. An, 6.8.1995.
[34] Vgl. GA, 24.10.1979.
[35] Vgl. Gen 1,28. - BF 8.
[36] Vgl. Andrezej Jawien; Karol Wojtyla: Der Laden des Goldschmieds. Szenische Meditationen über Liebe und Ehe, Freiburg 1979, S.10; 21 und 25.
[37] MD 9.
[38] Vgl die Ausführungen zum Sündenfall, GA, 26.9. und 31.10. 1979.
[39] Vgl. Gen 3,16 - auch MD 10.
[40] Der Papst zeigt sich besonders auch im sexuellen Bereich als ein großer Verteidiger der Frau. Das Unrecht, das die Frau hier durch den Mangel an Zärtlichkeit erfahren kann, wird mit aller Klarheit genannt. Vgl. Johannes Paul II. (Karol Wojtyla): Liebe und Verantwortung, München 1979, S.234-241.
[41] Vgl. MD 14.
[42] Vgl. Gen 1,27; 2,7.
[43] Besonders in den sogenannten Mittwochskatechesen über die “Theologie des Körpers”, die Johannes Paul II. 1979-81 gehalten hat, zeigte er seine Vorliebe für die ersten drei Kapitel der Genesis. - In “Mulieris dignitatem” weist er darauf hin, daß in den altbekannten Texten der Genesis “die unveränderliche Grundlage der gesamten christlichen Anthropologie” offenbart wurde. Vgl. MD 6.
[44] Vgl hierzu besonders die Ausführungen zum ersten Schöpfungsbericht, GA, 12.9. 1979.
[45] Vgl. MD 6-7.
[46] Vgl. Die Ausführungen zu “Der Körper, Bild Gottes” und “Der Körper als Sakrament”, GA, 2.1.1980 und 20.2.1980.
[47] Vgl. Gen 2,18-25.
[48] Vgl. Die Ausführungen zum zweiten Schöpfungsbericht, GA, 19.9. und 7.11. 1979.
[49] MD 6.
[50] Vgl. An, 18.6.1995.
[51] Diese Gedanken entfaltete Johannes Paul II. bereits in seiner philosophischen Anthropologie. Vgl. Johannes Paul II. (Karol Wojtyla): Von der Königswürde des Menschen (=KW), Stuttgart 1980, S.95-97.
[52] MD 7.
[53] MD 7.
[54] Vgl. die Ausführungen zur “ursprünglichen Einsamkeit” des Menschen, GA, 10.10. 1979.
[55] Johannes Paul II. spricht von einer Hilfe “im Sein”, nicht nur “im Wirken”. Vgl. BF 7.
[56] Vgl. die Ausführungen zur “ursprünglichen Einheit und Zweiheit” des Menschen, GA, 14.11.1979.
[57] Vgl. die Ausführungen zum “Geschlecht als ein Konstitutiv der Person”, GA, 21.11.1979.
[58] Vgl. Jörg Splett: Der Mensch. Mann und Frau, Frankfurt 1980, S.18.
[59] Vgl. KW, S.97.
[60] Vgl. die Ausführungen zur “Hingabe”, GA, 16.1.1980.
[61] KW, S. 106. - Vgl. auch GS 24.
[62] Vgl. die Ausführungen zur “reziproken Annahme des anderen”, GA, 6.2.1980. - Auch An, 19.3.1995.
[63] Schon in seiner philosophischen Anthropologie führte Johannes Paul II aus, daß die “reziproke Hingabe” zur “reziproken Entfaltung” führt. Vgl. Karol Wojtyla: Ensayos de ética personalista, in Mi visión del hombre, Madrid 1997, S.316. - Vgl auch die Reflexionen zur “Personengemeinschaft”, GA, 14.11.1979 und 9.1.1980. - Gerade in dieser Aufforderung zur gegenseitigen Hingabe sieht Johannes Paul II. die “evangelische Neuheit”. MD 24.
[64] In unserem Jahrhundert hat Simone de Beauvoir die Gleichheitsideologie der Geschlechter in aller Schärfe formuliert. Der Einfluß dieser französischen Philosophin ist kaum zu überschätzen. Ihre Monographie “Le Deuxième Sexe” (erstmals erschienen 1949, deutsch 1951) wird als “Bibel des Feminismus” bezeichnet. Vgl. C. Wagner: Simone de Beauvoirs Weg zum Feminismus, Rheinfelden 1984.
[65] Vgl. MD 10. - Auch BF 10-12.
[66] Vgl. An, 23.7.1995 und 15.8.1995.
[67] Vgl. MW, S.200.
[68] Diese Begebenheit wird erzählt von Maria Antonietta Macciocchi, in MW, S.40 f.
[69] Vgl. MD 18.
[70] MD 18.
[71] Vgl. An, 14.8.1994.
[72] Vgl. Als die Frauen noch sanft und engelgleich waren, hrsg. von Hildegard Westhoff-Krummacher, Münster 1996, S.14.
[73] Bei aller Bejahung der berechtigten Emanzipationsbestrebungen tritt Johannes Paul II. dafür ein, daß die Förderung der Frau nicht nur im außerhäuslichen Bereich betrieben werde. Der Wert der mütterlichen und familiären Aufgaben muß klare Anerkennung finden, auch in der Gesetzgebung. An dieser Gesetzgebung weltbeit mitzuwirken, ist Recht und Pflicht der Frauen. Vgl. die Enzyklika Laborem exercens (14.9.1981), 23. – Auch das Apostolische Schreiben Familiaris Consortio (22.11.1981), 23. – MD 18-19.
[74] Vgl. MD 18.
[75] Vgl. EV 99. 1990, S.69-84.
[76] Vgl. MD 30.
[77] MD 30. - Auch Joseph Ratzinger: La donna - custode dell’essere humano. Präsentation des Apostolischen Schreibens Mulieris dignitatem, in L’Osservatore Romano vom 6.10.1988.
[78] Vgl. MD 21.
[79] Vgl. hierzu auch J. Angst und C. Ernst: Geschlechtsunterschiede in der Psychiatrie, in Weibliche Identität im Wandel. Vorträge im Wintersemester 1989/90, Heidelberg 1990, S.69-84.
[80] Vgl. den Vortrag des Papstes vor den Mitgliedern der Delegation des Vatikans, die an der Weltfrauenkonferenz in Peking teilnahmen (29.8.1995), veröffentlicht in CMM, S.59-64.
[81] Vgl. MD 69.
[82] Johannes Paul II. betont, daß noch nicht alle Möglichkeiten der “Bestimmung der Frau” freigelegt worden sind. Vgl. BF 3.
[83] Vgl. die Ausführungen zu “Das religiöse Ideal: ein reales, ein praktisches Ideal”, in Karol Wojtyla: Primat des Geistes. Philosophische Schriften, Stuttgart 1980, S.270 f. - Auch die Ausführungen zu “Dem Menschen dienen, nicht einer Ideologie”, in Johannes Paul II.: Wissen im Glanz der Wahrheit, St. Augustin 1980, S.108-111. - An, 25.6.1995. - BF 4.
[84] Vgl. etwa EV 99. - Auch die Aussagen Johannes Pauls II. in Kanada: L’Osservatore Romano vom 27.10.1987.
[85] Vgl. die Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre Inter insigniores (15.10.1976) und das Apostolische Schreiben von Johannes Paul II. Ordinatio Sacerdotalis (22.5.1994) sowie die diesbezügliche Klarstellung (28.10.1995). Zum näheren Verständnis können die von der Kongregation für die Glaubenslehre herausgegebenen Kommentare helfen: Dall’ Inter insigniores all’ Ordinatio sacerdotalis, Città del Vaticano 1997.
[86] Den Kern der Argumentation bildet das Verhalten Christi, der - obwohl er sich radikal gegen die Diskriminierung der Frauen wandte und damit absichtlich und mutig einen Bruch mit seiner Umwelt riskierte - doch keine Frauen, sondern nur Männer zu Priestern geweiht hat. Die Apostel handelten nach seinem Beispiel, und daher fühlte sich die katholische Kirche stets verpflichtet, diese Verhaltensweise Jesu und der Urgemeinde zu bewahren. Denn das Christentum ist eine historische Religion in mehr als einer Hinsicht. Seine Anfänge stellen nicht nur einen Ausgangspunkt dar, sondern haben auch einen Inhalt, der es in seinen wesentlichen Zügen für immer geprägt hat. Das Nein der katholischen Kirche zum Frauenpriestertum erschöpft sich folglich nicht in gesellschaftlich-kulturellen Verengungen früherer oder modernerer Zeiten, sondern ist Ausdruck der Treue zu ihrem Herrn. Diese Treue sichert die Fruchtbarkeit. Denn die Anfänge tragen den Charakter der Fülle.
Der letzte Grund für diesen Plan Gottes läßt sich im Rahmen menschlicher Rationalität wohl nicht beantworten, denn er deutet auf eine tiefere Dimension hin, die nur im Glauben angenommen und erhellt werden kann. Die Zuordnung des Priestertums zum Mann ist zentral in der Substanz des Kirchenmysteriums verankert. Der Priester stellt Christus, den Urheber der Gnade, dar, wenn er in der Eucharistiefeier die Worte spricht: “Dies ist mein Leib.”
[87] Zu den weiten Wirkungsbereichen der Frau in der Kirche vgl. etwa den Vortrag des Papstes vor den Teilnehmern eines italienischen Nationalkongresses (4.12.1993), veröffentlicht in L’Osservatore Romano vom 10.12.1993. - Auch GA, 13.7.1994.
[88] Vgl. die Predigt des Papstes in Köln (15.11.1980), 4, in Papst Johannes Paul II. in Deutschland, Bonn 1980, S.18. - MD 22. - Besonders auch das Apostolische Schreiben Redemptoris Custos (15.8.1989).
[89] Hier wird deutlich, daß der Appell an den “weiblichen Genius” nicht mit einer oberflächlichen Feminisierung der Gesellschaft gleichzusetzen ist, die etwa in der Ideologie des New Age propagiert wird. Vgl. hierzu L. Caldecott und S. Leland (Hgg.): Reclaim the Earth, London 1983. – L. Segal: Ist die Zukunft weiblich? Frankfurt/M. 1989.
[90] Vgl. MD 18.
[91] Vgl. die Ausführungen zum “Ethos des Körpers”, GA, 13.2.1980. - Auch die Aussagen Johannes Pauls II. in Kanada, in L’Osservatore Romano vom 27.10.1987. - In der Botschaft zum Weltfriedenstag (1.1.1995) führt Johannes Paul II. aus, daß die Frau “Erzieherin zum Frieden” ist. Vgl. CMM, S.17-25.
[92] Vgl. MD 30.
[93] Vgl. EV 98. Hierzu ausfürlich José Luis Illanes: Iglesia en la historia. Estudios sobre el pensamiento de Juan Pablo II, Mexiko - Santo Domingo - Valencia 1997, S.249-272.
[94] Vgl. hierzu C.G. Jung: Gesammelte Werke X, Freiburg 1971, S.43-65. - Auch die Erläuterung und Weiterführung der Psychologie Juns, etwa durch H. Barz: Männersache, Zürich 1984.
[95] Vgl. BF 7.
[96] Vgl. MD 7.
[97] Is 43,1 - vgl. Gal 3,28. - MD 25.
[98] Vgl. Offb 12,1-4. - MD 30.
[99] Vgl. Johannes Paul II.: Enzyklika Redemptoris mater (25.3.1987), 46. – MD 4-5.